Die Kurve kriegen

Claudia Pechstein als Polizistin?

VON TORSTEN HASELBAUER

Gute Kunde für alle, die Claudia Pechstein endlich mal live sehen wollen. Allerdings nicht auf Schlittschuhen und im Rennanzug in der Eishalle Hohenschönhausen, sondern mitten auf der Straße in Wedding, Kreuzberg oder anderswo in Berlin und in schicker blauer Polizeiuniform. Die noch bis Februar 2011 wegen erhöhter Blutwerte gesperrte 38-jährige Spitzensportlerin wurde nämlich aufgefordert, ihren Dienst als Polizeihauptmeisterin anzutreten.

Und weil Pechstein seit dem gegen sie gehegten Dopingverdacht so gut wie alles öffentlich macht, was sie privat an Post erhält, landete auch das Schreiben eines Polizeioberrates ganz schnell in der Zeitung. Damit aber nicht genug. Eine Kampagne schob Pechstein gleich hinterher. Sie ist mit dem seltsamen Titel „Top 100 für Gerechtigkeit“ betitelt. Mehr oder weniger prominente Menschen mit oft leistungssportlicher Ostsozialisation haben da unterschrieben: Boxer Arthur Abraham, Ruderolympiasiegerin Kathrin Boron, Exhandballspieler Stefan Kretzschmar und Boxtrainer Ulli Wegner zum Beispiel.

Sie alle fordern die Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) gegen die wegen Dopings gesperrte Pechstein. Die auf Lebenszeit verbeamtete Sportlerin möchte nämlich nicht im Staatsdienst arbeiten, sondern viel lieber – vom Polizeidienst befreit – auf Kufen um die Kurven dieser Welt flitzen. Pechstein, fünfmalige Olympiasiegerin, weiß: Das hat mehr Glamour und ist zudem deutlich lukrativer, als Strafzettel zu verteilen oder dafür zu sorgen, dass Radfahrer nicht auf Gehwegen fahren.

Geregelte Lohnarbeit ist anstrengend, unsexy, meist fremdbestimmt, schlecht bezahlt und macht deshalb den Menschen nicht sonderlich viel Spaß. Das alles hat Claudia Pechstein schon in der Schule gelernt und viele andere Menschen wohl auch, die für sie jetzt unterschrieben haben. Aber, mal ehrlich: Es gibt doch Schlimmeres, als Beamtin zu sein. Selbst in Berlin.