Unausgeschlafen am Südkreuz

Die Anwohner am Bahnhof Südkreuz nerven die lauten Durchsagen. Dafür kennen sie den Fahrplan auswendig

Günther Oppl sitzt in der Küche seiner Wohnung in der General-Pape-Straße 32 und schaut aus dem Fenster auf den neuen Bahnhof Südkreuz. „Wie ein Bunker“ sehe der Betonklotz direkt vor seiner Haustür aus, aber das sei nicht das Problem. Günther Oppl will eigentlich nur ruhig schlafen. Dank der dröhnenden Lautsprecherdurchsagen auf den Bahnsteigen ist das allerdings kaum noch möglich.

Seit letzten Sonntag verkehren in dem Neubau Regional- und Fernverkehrszüge. Die Anwohner des etwas zu groß geratenen Südkreuz profitieren aber nicht nur von dem nahen Fernbahnhof. In den acht Häusern an der General-Pape-Straße und am Werner-Voß-Damm werden sie jeden Morgen von monotonen Lautsprecherdurchsagen geweckt.

Die Durchsagen dringen durch die geschlossenen Doppelglasfenster bis in die Wohnungen – und das von morgens kurz vor fünf bis zum letzten Zug um 1.28 Uhr. „Über dreißig Durchsagen pro Stunde“ hat Günther Oppl gezählt. Wenn man auf den Bahnsteigen steht, weiß man, warum er und seine Nachbarn nicht mehr ruhig schlafen können: Laut scheppern die vielen Lautsprecher an der Decke.

Besonders irrsinnig ist, dass auch an den Bahnsteigen im Freien je vier Lautsprecher angebracht sind, obwohl hier fast nie ein Fahrgast wartet, da die meisten Züge viel weiter vorn halten. Trotzdem wird deren Ein-und Abfahrt hier so laut verkündet, dass die Anwohner schon fast den Fahrplan auswendig können. Mehrere Bewohner der angrenzenden Häuser wollen vor dem Lärmterror zu Bekannten flüchten oder überlegen sich, gleich wegzuziehen. Und keiner versteht, warum nicht – wie bei der S-Bahn – die Lautsprecheranlage so eingestellt ist, das nichts nach außen dringt.

Der Sprecher der Bahn in Berlin, Burkhard Ahlert, verweist dagegen darauf, dass die Lautsprecheranlage „freigegeben und abgenommen“ wurde. Außerdem sei die Anlage schon nachgebessert worden und in der Nacht leiser geschaltet.

Günther Oppl reicht das nicht. Seit Tagen telefoniert er mit Verantworlichen der Bahn, die ihm Besserung versprochen haben, aber fast nichts ist passiert, die Durchsagen in der Nacht sind nicht merklich leiser geworden. Jetzt planen die Anwohner vor Gericht zu gehen, um per einstweilige Verfügung wenigstens zwischen 22 Uhr und 6 Uhr keine Computerstimme ankommende Reisende begrüßen zu hören.

SEBASTIAN LEHMANN