Auf 900 Seiten eine Bank des Grauens

Untersuchungsausschuss legt den Abschlussbericht über den „größten Bankenskandal in der deutschen Nachkriegsgeschichte“ vor. Fazit: Die Bankgesellschaft samt deren Akteuren haben das Land Berlin mit „krimineller Energie“ regelrecht ausgeraubt

VON RICHARD ROTHER

Die Aufarbeitung des milliardenschweren Bankenskandals ist ein wichtiges Stück vorangekommen. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Affäre um die mehrheitlich landeseigene Bankgesellschaft stellte gestern seinen Abschlussbericht vor. Das 900 Seiten lange Werk beleuchtet den Weg der Bank von ihrer Gründung über die Auflegung der risikoreichen Immobilienfonds bis zur Fastpleite vor fünf Jahren.

Die Ursache dafür sieht der Ausschuss in einem kollektiven Versagen von Spitzenmanagern, Politik, Wirtschaftsprüfern und Aufsichtsgremien. Die Bank war 2001 an den Rand des Ruins geraten und wurde nur durch eine Milliardenspritze des Landes Berlins gerettet. Klaus Landowsky, Topbanker und CDU-Fraktionschef, musste zurücktreten. Die große Koalition zerbrach.

Die Affäre sei der „größte Bankenskandal in der deutschen Nachkriegsgeschichte“, so der Ausschussvorsitzende Frank Zimmermann. Hauptgründe seien „nicht allein Irrtümer“, sondern „krasses Missmanagement, politisches Versagen, Größenwahn, kriminelle Energie und ein System der Verschleierung“ .

Das PDS-Ausschussmitglied Michail Nelken geht in seiner Generalabrechnung noch weiter. Die Entwicklung der Bankgesellschaft spiegle die Politik in Berlin in den 90er-Jahren. Hier lebten Gewohnheiten und Beziehungsgeflechte der Westberliner Gesellschaft fort. „Aus öffentlichen Kassen garantierte Renditen gehörten zum Alltag in der Sonderwirtschaftszone Westberlin.“ In der Bankgesellschaft sei kein Geld verbrannt worden, sondern das Geld der Bank sei ausgereicht worden und komme nun nicht zurück. „Die Verluste der Bank sind Gewinne bei anderen.“ Sicher habe es auch persönliche Bereicherung zu Lasten der Bank gegeben.“ Dies habe aber nicht zu den gewaltigen Vermögensverlusten geführt. „Der Skandal ist das System.“

Das Grünen-Ausschussmitglied Barbara Oesterheld kritisiert den Untersuchungsbericht. Er nenne zwar Verantwortliche, „aber in der Beurteilung des bewussten Handelns beschönigt er“. Die Bankengründung war mit dem Wissen um die Gefahren genau so gewollt gewesen. Als bei der Auflage der Immobilienfonds erkannt worden sei, dass die Ausgaben die Gewinne übersteigen, wurde das Geschäft „nach dem Schneeballprinzip erst richtig losgetreten“.

Oesterheld vermisst zudem ein Schuldbewusstsein der Verantwortlichen. „Keiner der Beteiligten, kein Zeuge, kein Bankvorstand, kein Aufsichtsrat, kein Wirtschaftsprüfer, kein Vertreter des Bundesaufsichtsamtes für Finanzdienstleistung ist bis heute bereit, Verantwortung für den bislang größten bundesdeutschen Bankenskandal zu übernehmen.“ Die Verantwortung für die fehlende Kontrolle in den Aufsichtsräten des Bankkonzerns sei „in gleichem Maße den Aufsichtsratsmitgliedern von SPD und CDU zuzuschreiben“.

Die FDP kommt zu folgender Analyse: „Das verfilzte und korrupte System der Berliner Staatswirtschaft hat den Steuerzahler Milliarden gekostet.“ Die CDU hingegen warf den anderen Fraktionen eine tendenziell einseitige Bewertung vor. Landowsky habe zwar wesentliche Verantwortung für die Geschäftspolitik der Bank getragen, sei aber „nicht die zentralste Figur“ gewesen.

Als Gesamtverlust bezifferte der Ausschuss 1,75 Milliarden Euro, die das Land zur Abwendung der Insolvenz zuschießen musste, 1,1 Milliarden Euro Zinsen, die durch unzulässige Beihilfen Berlins entstanden seien, sowie bis jetzt 62 Millionen Euro aus der sogenannten Risiko-Abschirmung – diese kann sich in den nächsten zwei Jahrzehnten allerdings auf mehrere Milliarden Euro summieren. Der Kursverfall der Bankgesellschaft an der Börse und entsprechende Verluste für das Land und die Aktionäre kommen da noch hinzu.

Hoffnungen der CDU-Fraktion, durch den Verkauf der Bank könne sich der Skandal am Ende als „Nullsummenspiel“ erweisen, wies der PDS-Abgeordnete Nelken zurück. Eine gut geführte Bank hätte Werte schaffen können, in Berlin seien diese jedoch zu Lasten der Bevölkerung vernichtet worden.

Der ganze Bericht unter www.parlament-berlin.de