Der abwesende Staatssekretär

Bekannt wurde er im Streit um die Verleihung des diesjährigen Heinrich-Heine-Preises der Stadt Düsseldorf: Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei und gleichzeitig nordrhein-westfälischer Staatssekretär für Kultur. Der 56-Jährige hat die entscheidende Sitzung der Heine-Jury boykottiert – und fand sich in einem Sturm der Kritik wieder.

Auch Grosse-Brockhoffs Chef, Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, reagierte wenig amüsiert: Der Staatssekretär entscheide selbst, welche Termine er wahrnimmt und welche nicht, erklärte Rüttgers im Landtag schmallippig – mehr nicht. Denn Grosse-Brockhoff, der Handke wegen dessen Nähe zum serbischen Exdiktator Slobodan Milošević ablehnt, hatte seine Abwesenheit bei der entscheidenden Jurysitzung allzu plump mit persönlicher Feindschaft zu einem Parteifreund erklärt: Er könne einfach nicht mit Düsseldorfs CDU-Oberbürgermeister Erwin, so der Jurist. Verantwortung für die Wahl Handkes aber will der Vater zweier Kinder nicht übernehmen: „Absurd“ sei es, aus seiner „Nichtteilnahme eine Verantwortung für das Jury-Ergebnis konstruieren zu wollen.“

Doch genau das tut die Landtagsopposition – dabei ist Grosse-Brockhoffs Begründung durch und durch ehrlich. Der als liberal geltende Kulturpolitiker, ehemals selbst Kulturdezernent Düsseldorfs, liegt seit Jahren mit seinem ehemaligen Vorgesetzten, Oberbürgermeister Erwin, im Clinch. Während Erwin gern autoritär auftritt, gab sich Grosse-Brockhoff aufgeschlossen, verteidigte Projekte wie das Theater der Welt oder die Industriekultur der Ruhr-Triennale.

Überlagert wird der Kleinkrieg der beiden Christdemokraten noch durch die Rivalität zwischen Erwin und Grosse-Brockhoffs neuem Chef, NRW-Ministerpräsident Rüttgers. Die beide kennen sich noch aus ihrer Zeit bei der Jungen Union, schätzen sich aber nicht gerade. Seit Rüttgers’ Wahlsieg lässt Erwin keine Gelegenheit aus, um die Landespolitik der CDU zu kritisieren – und gilt deshalb in Staatskanzlei als provinziell.

Dennoch ist es fraglich, ob Grosse-Brockhoff den Streit um Handke und Heine unbeschadet übersteht. Der Exkommunalpolitiker gilt gerade in seinem Amt als Leiter der Staatskanzlei für überfordert. Auch hier fehlt ihm das Gespür für Personalpolitik – zuletzt führten enge Mitarbeiter des Regierungschefs einen bizarren Kleinkrieg, warfen sich gegenseitig intrigantes Verhalten vor. Grosse-Brockhoff solle sich auf den Bereich Kulturpolitik konzentrieren, ist deshalb in Düsseldorf immer öfter zu hören – wenn Rüttgers nach seinem ungeschickten Auftritt noch zu ihm steht. ANDREAS WYPUTTA