„Große Spannweiten“

ARCHITEKTUR Der Statiker der neuen Gegengeraden des St. Pauli-Stadions referiert deren Werdegang

■ 58, Bauingenieur, ist Universitätsprofessor und Leiter des Instituts für Tragkonstruktionen an der Universität Karlsruhe.

taz: Herr Pfeifer, ist die realisierte Pyramiden-Konstruktion für die Gegengerade des St. Pauli-Stadions statisch weniger riskant als die zunächst diskutierte „Welle“?

Matthias Pfeifer: Dazu möchte ich nichts sagen. Kompetente Menschen haben sich dazu geäußert und deshalb ist sie ja auch nicht gebaut worden. Ich selbst habe die jetzt realisierte Pyramide geplant und auch sie ist einzigartig.

Inwiefern?

Sie überspannt – parallel zum Stadionrand – 120 Meter, hat aber keine großen Träger in der Mitte wie die Südtribüne. Deren zwei Stützen mitten im Zuschauerbereich werden als störend empfunden, weshalb ich die Vorgabe hatte, dies zu vermeiden. Außerdem darf das Dach die zu überspannende Fläche nicht überragen – an keiner Stelle. Hierfür als Statiker die Tragwerkskonstruktion zu errechnen ist schon eine Herausforderung.

Ist es für Statiker besonders schwierig, für ein Sportstadion zu planen – oder sind das Peanuts?

Das sind keine Peanuts, sondern höchst anspruchsvolle Aufträge, weil es dabei immer um extrem große Spannweiten geht. Normalerweise würde man bei einer Fläche von 120 mal 40 Metern – und die hat die neue Hamburger Gegengerade – das Dach an allen Seiten auflegen. Wenn aber an einer Seite eine Öffnung ist, werden die Berechnungen schon recht komplex. Genau wie bei einem Flugzeughangar etwa oder bei einem Theater.

Und bei der Elbphilharmonie.

Mit deren statischen und sonstigen Problemen musste ich mich zum Glück nicht befassen.

Und wie eng haben Sie bei der Planung der St. Pauli-Gegengerade mit den Architekten zusammengearbeitet?

Sehr eng. Die Architekten hatte in einem ersten Entwurf zum Beispiel sehr massive Träger geplant. Bei meinen statischen Berechnungen kam dann heraus, dass man es auch mit 30 bis 40 Prozent weniger Stahl hinbekommt.

Haben die Architekten versagt, als sie das falsch einschätzten?

Nein, es ist nicht ihre Aufgabe, das exakt zu können. Ich lehre ja Statik für Architekten und für Bauingenieure und weiß daher sehr genau, wo welches Gewerk seine Grenzen findet. Deshalb brauchen sie ja einander.INTERVIEW: PS

„Die Gegengerade, das Gesicht des FC St. Pauli“. Bauingenieur Matthias Pfeifer, der deren Statik errechnete, spricht über die Entwicklung dieser Tragwerkskonstruktion: 19 Uhr, Nochtspeicher, Bernhard-Nocht-Str. 69 a