Flucht aus Berlin

Die WM kommt, der Künstler Fefzcak flieht. Nachlass: Eine Ausstellung in Berlin über die dunkle Seite der WM

Einen gibt es in Berlin, der mag Fußball und trug seine Haltung zur Kommerzialisierung desselbigen bisher mit einem „Scheiß WM“-T-Shirt spazieren (taz berichtete). Das ist der Künstler Fefzcak. Sein neues T-Shirt sagt: „Die WM kommt. Fefzcak geht“.

Seit Sonntag ist er weg. Wohin genau, wissen allein seine Kollegen von der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst. Fefzcaks Abwesenheit und sein fußballferner Weblog sind Teil einer Ausstellung, die sich kritisch und humorvoll mit den Nebenwirkungen der WM auseinander setzt. Die Texte sind ab morgen auch in der wm taz zu lesen. Unter dem Titel „Heimspiel“ sind bis zum Finale am 9. Juli in der Galerie NGKB im Berliner Stadtteil Kreuzberg zehn Installationen und Kunstwerke zu sehen, die sich mit Sicherheit, Korruption, Nationalismus und Protest rund um die WM befassen.

Die schwarz-rot-goldenen Luftballons im Eingangsbereich verhalten sich parallel zur Stimmung in Deutschland: Wenn wir in der Vorrunde rausfliegen, sei die Luft raus. Sagen die Veranstalter. Im nächsten Raum strapaziert die „Jubelbox“ von Christoph Ziegler gezielt mit Fangeschrei in Endlosschleife. Die kinderzimmerartigen Zeichnungen Helmut Hubers haben eigene Stars und Regeln: einen weinenden Klinsmann als Träner und die Mikroorganismen im Fußballfeldrasen: „Die Käfer kennen das Spiel“. Schön ist auch die Videoinstallation „Future-Flitzer“. Der wird an unterschiedlichen Stellen in den Raum gebeamt und trägt beim Rasenlauf Schilder mit Kleinanzeigen. Eine Broschüre erklärt die Tradition des Flitzens: vom Nacktsport in der Antike über den subversiven Moment des fröhlich-anarchistischen Stadion-Störens bis zur Entdeckung der Flitzer durch Guerilla-Marketing-Agenten. Dazu kann man den Song „The Steak“ (Der Flitzer) von Ray Stevens aus dem Jahr 1974 anhören.

Vor zwei Jahren haben die Veranstalter von „Heimspiel“ mit der Arbeit begonnen. „Als die Diskussion um den FC Deutschland in die parteipolitische Richtung ging, war uns klar, dass die WM instrumentalisiert werden würde“, erklärt Heimspieler Velten Schäfer. Und so zeigt die Butlerfigur Onkel Tom im Nationaltrikot, die die Gruppe unter dem Suchbegriff „Neger“ bei einem großen Internetauktionshaus erstanden hat, die Kluft zwischen dem im Vorfeld der WM betriebenen Kampagnennationalismus (Du bist Deutschland) und der tatsächlichen Rechtspraxis (Du bist abgeschoben).

Weitere Installationen befassen sich mit Korruption und den Kontrolltechniken in den Stadien. Und hinten, im letzten Raum, trifft man wieder auf Fefzcak. In einem Internetcafé mit Fototapete im Holzlook kann man seinen Exil-Blog lesen und ihm eine E-Mail schreiben. In die fußballfreie Zone. KIRSTEN REINHARDT

HEIMSPIEL. Standort – Sport – Spektakel. Ausstellung. NGKB, Oranienstraße 25, Berlin. Bis 9. Juli