„Blau schmeckt frisch“

SCHREIBEN Die blinde Schriftstellerin Susanne Krahe erzählt aus ihrem (Arbeits-)Leben ohne Sehsinn

■ 54, erblindete vor 24 Jahren aufgrund einer Diabetes-Erkrankung und schreibt seither Bücher, Hörspiele und Radio-features.

taz: Frau Krahe, Sie sind mit 30 Jahren erblindet und schreiben seither Romane und Sachbücher. Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von der sehender SchriftstellerInnen?

Susanne Krahe: In der Technik. Mein Computer ist ausgestattet mit einer Sprachausgabe. Dadurch entwickelt sich eine andere Technik des Schreibens, des Wiederholens, des Hörens. Man schreibt für den Hörer, für sich.

Welche Rolle spielt bei Ihrem Schreiben die Erinnerung an die Zeit, als Sie noch sehen konnten?

Eine große Rolle. Die Bilder in meinem Kopf beziehen sich immer auf die Zeit, als ich noch sehen konnte. Auch wenn man erblindet, bleibt man ein sehender Mensch, weil immer wieder Bilder im Kopf entstehen.

Ihre Sinne sind anders trainiert als bei Sehenden. Wie verändert sich dadurch die Sprache beim Schreiben?

Ich erwische mich manchmal dabei, dass ich Dinge aufschreibe, bei denen das Visuelle, also zum Beispiel die Farben, in den Beschreibungen keine so große Rolle spielt.

Können Sie selbst den Text eines blinden Menschen an der Art der Sprache erkennen?

Ich glaube ja – wenn die Autorin oder der Autor Belletristik schreibt. Bei einem journalistischen Text erkennen Sie das nicht.

Worüber schreiben Sie?

Da ich Theologin bin, schreibe ich Romane und Erzählungen über biblische Stoffe. Wobei ich die ziemlich umwandle. Ich schreibe aber auch Sachbücher, etwa über Organtransplantation.

Was sollte sich verändern im Umgang der Gesellschaft mit Blinden?

Es muss sich das Bewusstsein entwickeln, dass die Förderung von behinderten Menschen etwas kostet. Schön wäre, wenn die Menschen sehen könnten, dass man von behinderten Menschen auch etwas lernen kann.

Ihr Buch, aus dem Sie heute lesen, heißt: „Der Geschmack von blau“. Wie schmeckt blau?

Frisch und ein bisschen melancholisch. Früher hätte ich jemanden, der im Fernsehen auftritt, um Farben zu schmecken, für einen Scharlatan gehalten. Ich habe aber in der Zwischenzeit auch einige geburtsblinde Menschen kennen gelernt. Die sagen, ich als spät Erblindete wüsste ja, wie blau aussieht. Sie hätten andere Möglichkeiten, das zu erfühlen und zu erschmecken. Ich bin bereit, das zu glauben. INTERVIEW: KLI

„Das Leben von ‚Sehlosen‘“. Lesung mit Susanne Krahe, Siegfried Saerberg und Alexandra Kruse: 19 Uhr, Hamburg Museum; Eintritt frei