Greenpeace: Klimaziele ohne Atom global erreichbar

ENERGIE Wirtschafts- forscher empfehlen hingegen längere AKW-Laufzeiten, um Kohle zu stoppen

BERLIN taz | Ein Langfristziel, zwei Wege: Am Montag sind in Berlin gleich zwei Studien zum Umbau des Energiesektors vorgestellt worden. Beide sehen die Notwendigkeit, langfristig komplett auf erneuerbare Energien umzustellen. Doch wird dazu in Deutschland und global die Atomkraft als „Brückentechnologie“ gebraucht?

Nein, sagt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das ein Szenario im Auftrag von Greenpeace und des europäischen Dachverbands der Industrie für Erneuerbare Energien (Erec) erstellt hat. Bis zum Jahr 2050 könnten erneuerbare Energien 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs decken. Zusammen mit Energiesparmaßnahmen ließen sich so die energiebedingte CO2-Emissionen um mehr als 80 Prozent reduzieren.

Der Berechnung hat das DLR ein weltweites Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 3,4 Prozent zugrunde gelegt. Außerdem ein Wachstum der Weltbevölkerung von 6,7 Milliarden (Stand 2007) auf 9,15 Milliarden (2050).

Nachhaltige Investition

„Unser Konzept führt zu mehr Versorgungssicherheit. Es macht unabhängig von stark schwankenden Weltmarktpreisen für Öl, Gas und Kohle sowie deren umweltzerstörender Förderung“, sagte Sven Teske von Greenpeace. Insgesamt seien Investitionen von 14 Billionen US-Dollar (etwa 11,7 Billionen Euro) notwendig. „Das klingt nach einem sehr hohen Wert“, sagte Christine Lins von Erec. „Aber dies wäre eine nachhaltige Investition – und die einzige Lösung.“

Der schnelle Zuwachs der Erneuerbaren – selbst in den Krisenjahren 2008 und 2009 – ermögliche es, parallel sowohl aus der Kohle- als auch der Atomstromproduktion auszusteigen. Bei der Kohle wurde ein Ausstiegsszenario weltweit bis 2050 zugrunde gelegt, deutschlandweit bis 2040. Bei den Atommeilern global bis 2030, in Deutschland sogar bis 2015.

Kohle versus Atom

Genau das hält die zweite – rein nationale – Studie vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin nicht für möglich. „Der Konflikt ist nicht Erneuerbare gegen Atom, sondern der eigentliche Konflikt ist Kohle gegen Atom“, sagte Energieexpertin Claudia Kemfert. Eine Laufzeitverlängerung müsse aus klimapolitischen Gründen „verhindern, dass als Ersatz neue Kohlekraftwerke gebaut werden“. Deutschland könne nicht gleichzeitig aus der Atomkraft und der Kohlestromproduktion aussteigen – auch um die Stromkunden finanziell nicht allzu sehr zu belasten.

Dabei berücksichtigte das DIW jedoch keine Kosten für die Endlagerung sowie eventuelle Kosten für erhöhte Sicherheitsauflagen für die AKW. Auf eine konkrete Laufzeitverlängerung legte sich das DIW nicht fest. Dies sei letztlich eine politische Entscheidung. Die Grünen kritisierten die Studie. Die Ausbauziele der Erneuerbaren seien viel zu niedrig angesetzt. NADINE MICHEL