Prinzip Wiederholung

KUNST Natalie Czech „findet“ auf Plattencovern und in Zeitungsartikeln Gedichte und macht sie sichtbar. Zu sehen sind verschiedene Serien, die mit Schrift, Klang und Bild arbeiten, bei Capitain Petzel

Die Poesie lauert überall. Man muss nur die Buchstabensuppe, die einen umgibt, ein wenig genauer betrachten, schon kann man die darin verborgenen Gedichte entziffern. Zumindest suggeriert das die Fotokünstlerin Natalie Czech in ihrer Ausstellung „I Cannot Repeat What I Hear“, zu sehen derzeit bei Capitain Petzel. Auf Zeitschriftenartikeln, IPads, Plattencovern oder Buchseiten, die allesamt einen Bezug zur Popmusik haben, legt die Künstlerin minimalistische Poesie von Gertrude Stein, Robert Creeley, Allen Ginsberg oder Emmett Williams frei, indem sie Buchstaben oder ganze Wörter anstreicht, durchkritzelt oder miteinander verbindet.

Czechs Arbeiten sind nicht das Ergebnis von Zufallsentdeckungen, sondern von einem aktiven „Finden“. Wo sie sucht? Zum Beispiel bei Pink Floyd. Die veröffentlichten 1973 eine Single namens „Money“, in dessen Songtext sie harsche Kritik am Popbusiness übten. Ironischerweise war das einer ihrer größten kommerziellen Erfolge. Czech hat drei Exemplare des Plattencovers übereinandergelegt und auf ihnen Buchstaben ausgestrichen, so dass sich daraus ein Gedicht ergibt. Zugegeben ein sehr kurzes: Aram Saroyans verknapptes lyrisches Werk besteht nur aus den drei Wörtern „ney mo money“. Aus einer Besprechung der Filme „Two Virgins“ und „Number Five“ von Yoko Ono und John Lennon aus dem Rolling Stone dröselt die Künstlerin Zeilen von Yunte Huang, aus einer Anleitung für Tangoschritte Verse von Bruce Hainley heraus. Was die Gedichte verbindet, ist das poetische Prinzip der Wiederholung, das Czech fotografisch wieder aufnimmt.

„I Cannot Repeat What I Hear“ ist Czechs erste Einzelausstellung in der Berliner Galerie. Neben den „Poems by Repitition“, die bereits im Hamburger und Braunschweiger Kunstverein ausgestellt wurde, sind nun erstmals die beiden Serien „Voyelles I + II“ gemeinsam zu sehen. Auch sie sind ein Dialog zwischen Text und Bild: Czech bat Autoren und Künstler, Briefe im Geist von Rimbauds Idee der Synästhesie zu verfassen. Er hatte in seinem Gedicht „Voyelles“ den Buchstaben Farben zugeordnet. Die Briefe kombinieren nun eine Farbe mit einem Vokal und einem Sinneseindruck. So beschreibt etwa der Brief an den Schriftsteller John Holten das zufällig aufgenommene, rhombenförmig verzerrte Foto einer Straße. Auf diesem sei die blaue Sirene des Rettungswagens so präsent, dass man den Klang beim Betrachten hören könne. BEATE SCHEDER

■ Capitain Petzel, Karl-Marx-Allee 45. Di–Sa 11–18 Uhr. Bis 25. Januar