Sonst wäre es ja kein Punk

Man soll ja nicht immer gleich von Trend oder Revival reden, aber man kann doch sagen: Punkrock ist momentan gerade irgendwie doch wieder recht beliebt. Kaum zu überhören ist das auch auf „Gegengift“, dem Debütalbum von *U*N*S. Da knallen die Gitarren so schön laut und tun die Synthesizer es ihnen voller Begeisterung nach, dass man zwar die Electro-Beats kaum noch hören kann, aber dafür bollert ja wiederum das Schlagzeug sehr überzeugt von sich.

„Gegengift“ ist zwar das erste Album des Trios *U*N*S, aber die Musiker Sebastian Cleemann, Jens Gathemann und Sepp Singwald sind keine Unbekannten. Aktiv waren sie zuvor in Bands wie Kate Mosh, SDNMT, Petula oder Siva. Allerdings: Den Post- und Noise-Rock, den sie da vor allem gespielt haben, scheinen sie mittlerweile vergessen zu haben. Stattdessen knarzen die Elektroden, bis der Tanzboden bricht, während Stimmbänder gequält werden.

Wie es sich für zünftigen Punk gehört, ist der nicht nur laut, sondern beantwortet auch garantiert keine Fragen, stellt dafür aber ein paar von den richtigen: *U*N*S grölen „Was würden gute Menschen tun?“ oder „Wie soll das je funktionieren?“ so hingebungsvoll, dass man irgendwann fest davon überzeugt ist, dass die entscheidenden Fragen der Menschheit verhandelt werden. Das alles ist mitunter ganz schön simpel gestrickt, ein wenig primitiv auch, sogar richtig nervtötend, aber wenn’s nicht so wäre, dann wäre es ja kein Punkrock, oder?

Ebenfalls Punk sind Guts Pie Earshot, aber klingen doch ganz anders. Das aus Köln stammende, mittlerweile allerdings in Berlin lebende Duo braucht bloß Schlagzeug und ein elektrisch verstärktes Cello, um einen höllischen Lärm mit ungeheuerer Intensität zu erzeugen. Erstaunlich ist aber auch auf ihrem bereits zehnten Album „Amparo Fugaz“ vor allem, wie selbstverständlich und organisch sich Drummer Scheng-Fou und Cellist Rizio rund um den halben Erdball spielen.

In ihren schier endlosen Instrumentals landen sie mal in Nordafrika, dann auf dem Balkan oder in Mittelamerika, besuchen jedoch auch einen Techno-Club im Berlin der Neunziger, parken in einer Noise-Rock-Garage im Mittleren Westen der USA, gastieren in einem Jazz-Club oder in der New Yorker Knitting Factory. Es ist ein Trip durch Raum und Zeit, der gelegentlich ganz schön anstrengend werden kann, aber wenn’s nicht so wäre, dann wäre es ja kein Punkrock, oder?

THOMAS WINKLER

■ *U*N*S: „Gegengift“ (Nois-O-Lution/Indigo), live 13. 12., Magnet

■ Guts Pie Earshot: „Amparo Fugaz“ (Major Label/Broken Silence)