Zwischen Mitlaufen und Davonlaufen

Allein bleiben muss niemand: Abseits der offiziellen Massen-Events zur Fußball-Weltmeisterschaft lässt sich in etlichen Clubs und Kneipen der Stadt vor mehr oder weniger großen Leinwänden gemeinsam das Fußballfieber kurieren

Alles, was er über Solidarität wisse, habe er vom Fußball gelernt, soll der französische Schriftsteller und Philosoph Albert Camus einmal gesagt haben. Ob er dabei eher die Spieler auf dem Platz oder die Fans auf der Tribüne im Auge gehabt hat, ist allerdings nicht überliefert. Angesichts erwarteter 50.000 Fußballbegeisterter auf der Tribüne des offiziellen FIFA-Fan-Festes auf dem Heiligengeistfeld mag indes der eine oder die andere dem Soziologen Pierre Bourdieu zustimmen. Der nämlich hat die These aufgestellt, dass für den Stadtmenschen nichts unerträglicher ist, als die als Promiskuität empfundene physische Nähe sozial fern stehender Personen. Wer angesichts offizieller Fußball-Gigantomanie ein derartiges Unbehagen spürt, muss in den nächsten Wochen dennoch nicht allein auf dem Sofa fernsehen. Etliche Clubs und Kneipen bieten abseits des offiziellen Programms Alternativen zu Massen-Events und Eskapismus.

Das Knust, Neuer Kamp 30, beispielsweise zeigt alle Spiele der Weltmeisterschaft auf zwei Großbildleinwänden. Jeden Tag ab 11 Uhr ist zudem das Knust-Soccer-Café geöffnet, für den Abend bietet sich ein Biergarten im „München 74“-Retro-Look an. Täglich gibt es dazu ab 23 Uhr Live-Acts und DJs zu bestaunen. Außerdem begleitet die Samba-Gruppe „Unidos de Hamburgo“ alle Spiele der Brasilianer.

Weil für viele zu einem gepflegten Fußballerlebnis ein kühles Bier gehört, bietet das Molotow, Spielbudenplatz 5, während der gesamten WM auf allen Clubveranstaltungen das Astra für einen Euro an – sollte die deutsche Mannschaft in Führung liegen. Trinken lässt es sich natürlich auch ein Stockwerk höher, wo die Meanie Bar die „FiFaFuckoff-Tage“ veranstaltet und alle Spiele parallel zum üblichen Abendprogramm zu sehen sind.

Auch im Grünen Jäger, Pferdemarkt 36, gibt es alle Spiele der WM im Laden auf Großbildleinwänden zu sehen. Im Biergarten werden außerdem vier Wohnzimmer nachgebaut. Sollte das Wetter mitspielen, können dann jeweils 30 Leute in einem Freilicht-Wohnzimmer zusammen Fußball gucken. Ab 23 Uhr gibt es das gewohnte Party-Programm.

Mit einer Übertragung aller Spiele auf Großbildleinwand kann auch das Hafenklang aufwarten. Am Freitagabend gibt es außerdem zum Auftakt der WM um 18 Uhr und 21 Uhr – jeweils im Anschluss an die Spiele – Ska, Rocksteady und Reggae auf die Ohren.

Mit entsprechender Musik- und Cocktailauswahl nebst passender Dekoration lassen sich im Indoor-Beach-Club Pink Beach Club, Valentinskamp 46, alle Spiele der WM „brasilianisch“ feiern. Dazu gehört natürlich auch ordentlich Fleisch. Das muss man allerdings selbst mitbringen und auf den Grill auf der Terrasse legen.

Zum „Extreme Fußball Weltmeistering“ trifft man sich im Mandalay, Neuer Pferdemarkt 13, ab 15 Uhr. Gleich über mehrere Großbildleinwände gleichzeitig flimmern dann die Spiele.

Wer es etwas sakraler mag, findet sicher bei „Balleluja“ sein Heil. In der St. Pauli Kirche am Pinnasberg 80 gibt es samstags und sonntags jeweils von 14 Uhr bis 20 Uhr Fußball auf der Großbildleinwand zu sehen – vor dem Altar. Die Veranstaltung richtet sich allerdings an Kinder und Jugendliche. Auf Alkohol und Nikotin wird man deswegen verzichten müssen. Andere Genussmittel wie Essen und Getränke werden aber preiswert angeboten. Dazu gibt es u. a. Kickertische, Torwandschießen, Streetsoccer, eine Panini-Tauschbörse und Fußball-Kurzfilme.

ROBERT MATTHIES