Barfuß und in Rüschen

Wäre die Sängerin Phoebe Killdeer nicht auch eine Komödiantin, das Konzert der „Nouvelle Vague“ hätte die Überzuckerung nicht überlebt

Es gibt schon so viele gute, eingängige Melodien auf der Welt und viele neue Songs hören sich doch nur nach den alten, bewährten an. Das dachte eines Tages, so um 2003, auch der Musiker Oliver Libaux und rief seinen Kollegen Marc Collin an, um eine Idee zu verwirklichen: Alte New-Wave-Hits sollten im Stil des Bossa Nova neu interpretiert werden. Mit brasilianischen und französischen Sängerinnen, die die Originale kaum kannten, nahmen sie die Klassiker auf und nannten das Projekt Nouvelle Vague.

Das war ganz schön clever durchdacht von den beiden Franzosen, denn New Wave, Bossa Nova und Nouvelle Vague, das ist doch alles eines und heißt einfach nur Neue Welle! Die Hochzeit der Easy-Listening-Pest war zwar schon vorbei, aber die erste CD wurde ein großer Erfolg. Nun erscheint im Juni das zweite Album „Bande à part“ und pünktlich gab Nouvelle Vague am Dienstag ein Konzert in der Passionskirche.

Leichtfüßig kommen die Sängerinnen Claudine Longet und Phoebe Killdeer auf die Bühne, die eine barfuß und im leichten Sommerkleid, die andere in einer sehr, sehr kurzen Ganzkörperrüsche, während sich die Jungs oder vielmehr ernste, erwachsene Männer an Schlagzeug Gitarre, Keyboard und Rechner hinter ihnen aufbauen. Das musikalische Konzept geht zwar auf, wenn der alte Dead-Kennedy-Heuler „Too drunk to fuck“ nun dahergesäuselt wird. Die unbefangene Leichtigkeit des jazzy Bossa Nova bekommt aber sehr schnell etwas Seichtes, allzu Süßliches.

Die charmante Aussprache der Französinnen tut ein Übriges, und so ist das Konzert bald ein großes Chi-Chi-und-Oh-la-la!-Süßholz-Geraspel, ein einziges musikalisches augenaufschlagendes Kokettieren. Claudine gibt die junge Naive mit der Kindfraustimme, Phoebe die Durchtriebene. Das aber sehr zur Freude der ausverkauften Passionskirche und des männlichen Publikums.

Schon beginnt das Liebliche, Plätschernde zu nerven, da zeigt die Sängerin Phoebe Killdeer ihr ganzes komödiantisches Talent: Sie beherrscht das ironische Zitieren von Posen und Tänzen aus dem Effeff, gibt die schläfrige Marionette, taumelt als durchgeknallte Nachtclubtänzerin in die Zuschauerreihen – eine großartige Sängerin und Imitatorin.

Dann gehen die beiden von der Bühne und Marina Céleste erscheint, in Frankreich als Singer/Songwriterin schon sehr bekannt. Sie hat eine warme, sanfte Stimme und das fantastische Aussehen der jungen Michelle Pfeiffer. Ihrem gesanglichen Vortrag aber gibt sie etwas allzu Pathetisches, als müsste sie jede Tonfolge, jede Zeile neu gebären, aber all das mit den schönen weihevollen Posen eines ätherischen Wesens. Das so allerliebst, nicht ganz akzentfrei geflüsterte „Ich möchte ein Eisbär sein“ bringt ihr zwar den Szenenapplaus des Publikums ein, führt aber bei manchen Zuhörern zu einer akuten Überzuckerung. Allzu viel Sinnlichkeit auf der Bühne kann auch leicht ins Gegenteil umschlagen und wirkt dann nur noch dämlich.

Auch musikalisch wird es immer eintöniger, ein Klassiker wie „Love will tear us apart“ braucht eigentlich keine neue Coverversion mehr. Andere Stücke wie „This is not a love song“ von Pil verlieren ihre Magie und das uninspiriert dahingeklöppelte „Teenage Kicks“ von den Undertones wird zum traurigen Abklatsch seiner selbst.

So vergeht die Zeit. Man erfreut sich am Tanz der Sängerinnen, spielt ein bisschen „Erkennen Sie die Melodie?“ und wartet auf das Ende. Denn allzu harmlose Musik wirkt auf Dauer doch ein wenig einschläfernd, zumal wenn man sie nicht so eben nebenher zu Hause auf dem Sofa hören kann.

CHRISTIANE RÖSINGER