Britische Industrie will mehr Klimaschutz

Jetzt reicht’s, sagte sich Prinz Charles. Der britische Thronfolger trommelte führende Unternehmer zusammen, um von Regierungschef Tony Blair mehr Engagement gegen die Treibhausgase zu fordern. Das verschaffe Wettbewerbsvorteile

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Man stelle sich diese Situation vor: Die Firmenchefs von Eon, Lufthansa, Telekom oder Bayer rücken Angela Merkel auf die Pelle, weil die zu wenig für den Klimaschutz tut. In Großbritannien ist das gerade passiert: Bei einem Treffen mit Premierminister Tony Blair forderten britische Konzerne wie Tesco, British Airways, Shell oder Vodafone deutlich mehr Klimaschutz von der Regierung. Ihr Argument: Eine stärkere Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes fördert Innovationen, die der britischen Industrie für Jahre technologische Wettbewerbsvorteile verschaffen würden.

Prinz Charles hat die Konzerne mit seinem Programm „Wirtschaft und Umwelt“ zusammengebracht. Bei dem Kampf gegen eine Herausforderung von der Größenordnung des Klimawandels sei die Mitarbeit der Industrie unerlässlich, betont der britische Thronfolger. Augenscheinlich zu Recht: „Die Lösungen sind in Reichweite. Wir müssen nun den Willen aufbringen, diese Lösungen anzuwenden“, urteilt Shell-Chef James Smith.

Neue Töne auf der Insel. Bislang hatte der Verband der britischen Industrie stets gefordert, die ambitionierten Reduktionsziele in Hinblick auf den Kohlendioxidausstoß herunterzuschrauben. Andernfalls, so warnte der Verband – nahezu wortgleich wie der deutsche BDI – sei es um die Wettbewerbsfähigkeit britischer Unternehmen geschehen. Jetzt argumentiert die Prinz-Charles-Initiative, strengere Gesetze gegen den Klimawandel würden die Profite britischer Unternehmen vergrößern, weil sie ihnen mittelfristig einen Vorsprung bei der Entwicklung neuer Technologien verschafften.

Blair verhielt sich zu dem Thema bislang ambivalent. Zwar versprach er, den Klimawandel beim nächsten G-8-Gipfel ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen. Doch in ihrem Bericht räumte die Regierung im März ein, dass sie ihr Ziel, 20 Prozent weniger CO2 bis 2010, verfehlen wird. Vielleicht schaffe man 15 Prozent, heißt es in dem Bericht. Im Kioto-Abkommen hat sich Großbritannien verpflichtet, die Treibhausgase bis 2012 gegenüber 1990 um 12,5 Prozent zu senken. Das dürfte gelingen.

Die Unternehmen sind nicht die Ersten, die von Tony Blair mehr Klimaschutz fordern. Anfang dieser Woche erklärten britische Versicherer: „Ein Umdenken der Industrie ist überfällig.“ Ein Untersuchungsbericht der Lloyd’s-Gruppe warnt vor einem Aussterben der Versicherungswirtschaft. Bisher basierten die Prämien auf Erfahrungswerten aus der Vergangenheit, so die Studie. Man müsse aber künftige Szenarien des Klimawandels in Betracht ziehen, wenn man überleben wolle. Rolf Tolle, ein Lloyd’s-Direktor, sagte, dass dabei eine enge Zusammenarbeit mit der Industrie und der Regierung unerlässlich sei.

„Es ist wichtig, dass die Unternehmen die Führung übernehmen“, sagte Blair nach dem Treffen mit den Industriebossen. „Die Industrie kann dabei helfen, neue, saubere Technologien zu entwickeln und Regierungen zu ermutigen, weitreichende politische Maßnahmen zu ergreifen.“