WM-Organisatoren als Anspruchsweltmeister

Das Green Goal der Fifa ist kein Nachhaltigkeitskonzept, haben Wissenschaftler der Uni Lüneburg herausgefunden. Den Machern wollen sie aber kommunikativ unter die Arme greifen. Die finden: Toll, dass die Fifa überhaupt was tut

Mehr als drei Millionen Menschen aus aller Welt kommen dieser Tage nach Deutschland, um Männer zu sehen, die hinter einem Ball herlaufen. Im Gepäck haben sie 70 bis 80.000 Tonnen Kohlendioxid und andere klimarelevante Gase. Sie verbrauchen Unmengen an Strom und Wasser, produzieren weltrekordverdächtige Müllberge. Um diese Probleme zumindest einzuschränken, haben sich die Fifa, der DFB und das Organisationskomitee (OK) des Fußballturniers analog zu den „Green Games“ bei den olympischen Spielen 2000 in Sydney ein „Green Goal“ gesetzt. Der Nachhaltigkeitsplan lautet: weniger Strom, weniger Abfall, weniger Energie und effizientere Mobilität. Eine Handvoll Umweltwissenschaftler der Universität Lüneburg beschäftigt sich seit April mit diesem Konzept und hat festgestellt, dass von Nachhaltigkeit kaum die Rede sein kann. Das Green Goal befasst sich nämlich lediglich mit ökologischen Fragen, die Nachhaltigkeits-Dimensionen Ökonomie und Soziales bleiben außen vor.

Das Seminar „Volltreffer oder Abseits – die Nachhaltigkeit der Fußball-WM 2006“ hat sich ganz der konstruktiven Kritik verschrieben: Die Lüneburger Wissenschaftler und Studenten haben in einem Positionspapier ans WM-Organisationskomitee Verbesserungsvorschläge gemacht und vor allem Hilfestellung bei der Kommunikation der Umweltziele angeboten. „Die Kommunikation war bisher mangelhaft und hat kaum gefruchtet“, sagte Seminarleiter Heiko Grunnenberg vom Lüneburger Institut für Umweltkommunikation während einer Podiumsdiskussion am Mittwochabend. Neben Benjamin Adrion, der über sein soziales Kuba-Projekt „Viva Con Agua de Sankt Pauli“ inzwischen fast bekannter ist als durch seine langen Bälle beim FC St.Pauli, saß auch Hans Jägemann auf dem Podium. Der langjährige Leiter der Abteilung Umwelt und Sportstätten des Deutschen Sportbundes bezeichnete den Anspruch der Fifa, mit der WM „Umweltmeister“ zu werden und jegliche Schäden mit Ausgleichmaßnahmen zu kompensieren, als „hypothetisch und gnadenlos“. Das sei so wenig realistisch, dass es der Glaubwürdigkeit schade. Frühere Weltmeisterschaften seien wegen ihrer bescheideneren Dimensionen viel umweltfreundlicher gewesen, ohne dass Öko-Maßnahmen getroffen wurden. Heute gehe es darum, „den Gigantismus ökologisch zu optimieren“. Jägemann klagte außerdem, durch Sponsorenauflagen würden ökologische Maßnahmen erschwert. So habe etwa WM-Sponsor Hyundai den Einsatz umweltschonender Wasserstoffbusse oder McDonalds ein breites Angebot an Öko-Food verhindert.

Der Kritik stellte sich am Mittwochabend Christian Hochfeld vom Öko-Institut, einer der Hauptverantwortlichen für das Green Goal: „Wir mussten die Verantwortlichen an den Spielorten motivieren, Umweltschutz zu betreiben.“ Leider enthalte das „Pflichtenheft“ der Fifa lediglich Bestimmungen über Sicherheit und Infrastruktur. „Mit Umweltschutz hat sich die Fifa bislang noch nie beschäftigt“, sagte Hochfeld. Oliver Wasse