CIA-FLÜGE: AUCH EUROPAS REGIERUNGEN VERTUSCHEN IHRE BETEILIGUNG
: Einfach, billig, verlogen

Die Reaktionen waren so vorhersehbar wie hinterhältig: Ein halbes Jahr lang haben die europäischen Regierungen und Washington alles getan, um dem Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Dick Marty, Informationen über den Ablauf der geheimen CIA-Gefangenenflüge vorzuenthalten und ihre eigene Rolle dabei im Dunkeln zu halten. Marty, der mit keinerlei wirklichen Ermittlungsbefugnissen und viel zu wenig Geld ausgestattet war, blieb angewiesen auf öffentlich zugängliche Informationen und die Recherchen von Menschenrechtsorganisationen und Journalisten. Jetzt, da Marty seinen Abschlussbericht vorgelegt hat, werfen ihm die gleichen Regierungen vor, keine handfesten Beweise angebracht zu haben. So einfach, so billig, so verlogen.

Etwa Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Falls es konkrete Anhaltspunkte gebe, die einen Anfangsverdacht begründeten, müssten diese auf den Tisch, erklärte er gestern im Radio-Interview in seltener Eintracht mit US-Außenministeriumssprecher Sean McCormack. Mit der ach so grundverschiedenen Rechtsstaatsauffassung zwischen USA und Europa ist es offensichtlich so weit nicht her: Wer ertappt wird, vertuscht, wo er kann, hüben wie drüben.

Statt ernsthaft auf die Kritik einzugehen, die Marty im ersten Teil seines Bericht in fast gänzlich undiplomatischer Sprache an der mangelnden Informationspolitik der europäischen Länder übt, kritisieren Wiefelspütz und Co die Ergebnisse des – offenbar bewusst – zu schlecht ausgestatteten Berichterstatters. Marty selbst schreibt, sein Bericht könne unmöglich das letzte Wort in der Affäre gewesen sein – und er hat Recht. Immerhin leistet sein Bericht eine wertvolle Anleitung zum Weiterforschen. Da die Regierungen daran offenbar keinerlei Interesse haben, wird diese Aufgabe der jeweiligen politischen Opposition zufallen. Wenn man allerdings annehmen muss, dass Wiefelspütz mit seiner zynischen Kritik auch den Ton für den anstehenden BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags gesetzt hat, stehen der Wahrheitsfindung schlimme Monate bevor. BERND PICKERT