In Chefsesseln sitzen weniger Mütter

Der Anteil der Mütter in Topjobs sinkt, belegt eine neue Studie. Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf

BERLIN taz ■ Das viel beschworene Jahrhundert der Frauen lässt auf sich warten. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Frauen in Topjobs nur geringfügig verändert, zeigt eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg.

Mit dieser Studie sollte offiziell überprüft werden, wie erfolgreich eine Vereinbarung über mehr Chancengleichheit war, die die Bundesregierung mit den Wirtschaftsverbänden im Jahr 2001 geschlossen hatte.

Die Bilanz fällt aus der Sicht des IAB eher mau aus: Zwischen 2000 und 2004 ist der Anteil der Frauen an Führungspositionen von 20 auf 22 Prozent gestiegen. Dieser Zuwachs geht vor allem auf das Konto jüngerer Frauen. Bis zum Alter von 29 Jahren erhöhte sich ihr Anteil an den Führungskräften leicht. Bei den Frauen zwischen 30 und 44 dagegen stagnierte er. Die Zahl der Chefinnen in dieser Altersstufe, die zugleich Mütter waren, ging sogar um 5 Prozentpunkte zurück. Je älter Männer werden, desto leichter gelangen sie in Führungspositionen, bei den Frauen sinkt die Wahrscheinlichkeit nach dem 32. Lebensjahr.

Das IAB zeigte sehr klar, dass die Aufstiegschancen der Führungskräfte eng mit ihrem familiären Hintergrund zusammenhängen: Während die Mehrzahl der Chefinnen allein oder ohne Kinder lebt, ist es bei den Chefs umgekehrt, sie leben mehrheitlich mit Partnerin und Kindern zusammen. Ihre Frauen sind wiederum mehrheitlich nicht oder in Teilzeit erwerbstätig. Die Partner der Chefinnen dagegen sind meist voll erwerbstätig, 32 Prozent von ihnen sogar ebenfalls in Führungspositionen.

Das IAB empfiehlt deshalb, auch Führungsjobs familienfreundlicher und flexibler zu gestalten und die Kinderbetreuung insgesamt auszubauen. Ob der Gesetzgeber tätig werden sollte, lässt das Institut offen.

Die Grünen im Bundestag dagegen meinen, die Vereinbarung mit der Wirtschaft sei gescheitert. „Wir brauchen gesetzliche Regelungen“, betont die parlamentarische Geschäftsführerin Irmingard Schewe-Gerigk. „Die Bundesregierung kann sich nicht länger blind stellen.“

Etwas in dieser Art hat die Bundesregierung aber wohl vor: Schon im Februar diesen Jahres stand die Bilanz der Unternehmensverbände und der Bundesregierung fest: „Frauen nehmen in den Unternehmen der privaten Wirtschaft immer häufiger Führungspositionen ein“, hieß es da bei der Veröffentlichung einer Vorläuferstudie zur IAB-Untersuchung.

In der Bilanz werden von Mentoringprogrammen über Zertifikate bis zum Elterngeld alle möglichen Anstrengungen aufgeführt, die Frauen nach oben helfen sollen. Und schließlich wird gefolgert: dass es „keiner weiteren gesetzlichen Regelungen zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Erwerbsleben bedarf“. HEIDE OESTREICH

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