hamburger szene
: Großstadtmenschen

Freitag Mittag auf dem Isemarkt in Harvestehude: Eine junge Frau mit feuerrotem Haar fragt, ob ich nicht fünf Minuten Zeit hätte, um einen Fragebogen für die Marktforschung auszufüllen. Dafür gebe es auch Geld. Sie hat tiefe Augenringe und friert offensichtlich. Ihren Klamotten nach zu urteilen wird sie nicht besonders gut bezahlt. Auf dem Fragebogen stehen Fragen wie: „ Benutzen Sie lieber flüssige oder feste Seife?“

Die beiden anderen jungen Leute, die auch noch mitmachen, können sich ein Lächeln nicht verkneifen. Das Lächeln gefriert, als die Rothaarige von der Marktforschung weitere Bedingungen stellt. Geld gebe es nur, wenn wir in der nächste Woche ins Institut kämen und noch einmal Fragebögen ausfüllten. Die rothaarige Frau hat ihre Kunden verloren.

Am anderen Ende des Marktes lauert schon wieder jemand. Diesmal ein Mann, ganz ohne Haare. Er will kein Geld, er hält einen Stadtplan in der Hand und fragt nach einem Optiker in der Nähe. Er sieht so aus, als hätte er diese Frage heute schon öfter gestellt, sein Gesicht ist ganz grau. Ich käme nicht von hier, sage ich, worauf sein Gesicht rot anläuft. Der Mann schnappt nach Luft und blafft: „Diese Großstadtmenschen! Kennen die ganze Welt, aber in ihrer eigenen Stadt finden sie nicht mal einen Optiker!“ NELE LEUBNER