Erschöpfte Clubbetreiber

FRUST Nach neun Jahren hören die HasenschaukelbetreiberInnen Anja Büchel und Tanju Börü auf. Am heutigen Samstag wird noch einmal fulminant Geburtstag gefeiert

VON ROBERT MATTHIES

Manchmal ist sie ganz nah, die Gnade der kleinen Erlösung. Nur ein paar Schritte abseits der lärmenden Vergnügungsmeile schaukelt einem in der Silbersackstraße auf St. Pauli schon der fröhlich lächelnde Hase entgegen. Wer die rosa Türen der „Hasenschaukel“ öffnet, betritt das schrulligste Kleinod unter den Hamburger Clubs: 70 verwunschene Quadratmeter zwischen minzgrünen Tapeten und unter Puppen-Reifrock-Lampen, ein Zufluchtsort für all jene, die leisere Töne und die großen unter den kleinen Momenten suchen. Vegetarische Küche gibt es hier und liebevoll ausgesuchte Indie-,Folk- oder Punk-Konzerte.

Mit der kleinen Bar haben sich Anja Büchel und Tanju Börü vor neun Jahren einen Traum erfüllt. „Die Hasenschaukel gibt uns die Möglichkeit, Künstler zu buchen, die wir mögen, von denen wir glauben, dass andere Menschen sie auch hören sollten“, erzählt Börü.

Die beiden Sandkastenfreunde sind leidenschaftliche Überzeugungstäter. „Musik ist kein Hobby oder Interesse“, findet Börü, „sondern eine Art zu leben. Wir lieben es, Freude zu teilen, Menschen eine Freude zu machen, Musik dient uns dazu.“

Fragt man den Mittvierziger, was ihn in all den Jahren in der Hasenschaukel besonders gefreut und beeindruckt hat, bekommt man als Antwort eine lange Liste. Börü erzählt von der spanischen Folksängerin Russian Red, die „einfach so etwas von menschlicher Schönheit gebracht hat“, vom Akustik-Punk-Erfinder Patrik Fitzgerald, der hier seine Rückkehr aus dem musikalischen Exil gefeiert hat, und von Stanley Brinks, Freschard & The Kaniks, die nach dem Konzert in der Hasenschaukel noch drei Stunden auf der Straße vor dem Haus weitergespielt haben. Er schwärmt von den Momenten, wenn alle Gäste bei einem Song mitsingen und eine „unbeschreibliche Gemeinsamkeit“ erzeugen, und von Konzerten, „bei denen einfach vor Rührung die Tränen gekullert sind“.

Doch damit ist wohl bald Schluss: Im Mai wollen Büchel und Börü das Handtuch werfen. Nicht, weil die Mieten gestiegen sind, sondern weil Krankheiten und finanzielle Probleme die Kräfte haben schwinden lassen und zwischen zwei, drei Jobs einfach zu wenig Zeit bleibt. Und weil die beiden frustriert sind, dass ihre unermüdliche Entdeckerarbeit nicht gewürdigt wird. „Dass man nicht reich werden kann mit einem Live-Club oder einer Bar, ist klar“, sagt Börü. „Aber man muss schon sehen, dass man wirtschaftlich arbeitet, arbeiten kann. Wenn man wie wir nur gibt, muss das auf Dauer schiefgehen.“

Denn die Betriebskosten können Büchel und Börü nur gering halten, weil sie den Großteil der Arbeit vom Booking über die Unterbringung der Künstler bis zum Soundcheck selbst stemmen. Für Konzerte zahlt man hier nur selten Eintritt, für die Musiker geht der Hut rum – der oft beschämend leer bleibt. „Hier passiert die Entdeckermusik, in diesen Clubs touren sich internationale Bands den Arsch ab“, sagt Börü. Das Geld aber kassieren, wenn die Musiker erst mal wirtschaftlich entdeckt worden sind, die großen Clubs.

Ob und wie es ohne die beiden weitergeht, ist noch unklar. „Wir müssen nicht unbedingt verkaufen, Umstrukturierungen sind auch eine Idee. Aber dafür müssen sich die richtigen Leute finden“, sagt Börü. „Wir sind offen für Ideen, Vorschläge und Angebote.“

Heute Abend aber wird erst mal der neunte Geburtstag des gefährdeten Club-Kleinods mit Pauken und Trompeten gefeiert. Eingeladen haben sich Börü und Büschel dafür wieder ein Prachtexemplar eines hierzulande noch gänzlich unbekannten Künstlers: Zu Gast ist der 26-jährige Brite Luke Leighfield, wegen seiner unermüdlichen DIY-Ästhetik zu Hause schon als „UK’s biggest underground pop star“ und als männliche Antwort auf Kate Nash gefeiert. „Vor allem aber sind Anja und ich beide vor Ort, selten genug, und wir wollen feiern“, sagt Börü. „Der Geburtstag soll keine Begräbnisfeier werden, das ist uns wichtig.“

■ Sa, 14. 12., 20 Uhr, Hasenschaukel