„Europa muss Isolation beenden“

Der zyperntürkische Präsident Mehmet Ali Talat verlangt direkte Beziehungen der EU zu seinem Land und wirft den griechischen Zyprioten vor, den Konflikt nicht lösen zu wollen

taz: Erstmals haben Sie in Berlin einen deutschen Außenminister getroffen. Was sind Ihre Erwartungen?

Mehmet Ali Talat: Das ist eine wirklich wichtige Entwicklung. Deutschland zählt zu den bedeutendsten Ländern der EU. Wir haben viele Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass die EU der Isolation der türkischen Zyprioten nicht entgegentritt. Ich hoffe, das ist ein Zeichen dafür, dass die EU-Mitgliedsländer ihre Position zum Zypernproblem überdenken. Dieses Problem vergiftet die Beziehungen in der ganzen Region.

Was verlangen Sie konkret?

Erstens direkte Wirtschaftsbeziehungen mit der EU. Zweitens sollte die EU auf allen Ebenen Kontakt mit den türkischen Zyprioten aufnehmen, ohne jeweils eine Genehmigung dafür bei den griechischen Zyprioten einzuholen. Wenn die griechische Seite sieht, dass etwas an ihrem Verhalten gegenüber den türkischen Zyprioten falsch ist, dann werden sie begreifen, dass sie flexibler agieren müssen.

Verlangen Sie die Anerkennung Nordzyperns als unabhängiger Staat?

Nein. Das erwarten wir nicht nur nicht, wir fragen auch nicht danach. Wir bitten um direkte Beziehungen zur EU, so wie es der Europarat deklariert hat.

Am Zypernkonflikt könnte die EU-Mitgliedschaft der Türkei scheitern. Ankara hat bis jetzt das entsprechende Protokoll, das unter anderem die Zollfreiheit auf Neumitglieder wie Zypern ausdehnt, nicht umgesetzt. Bis zum Oktober muss aber eine Lösung her. Welche?

Die Türkei hat einen sehr konkreten Vorschlag gemacht: Alle Restriktionen sollen gleichzeitig aufgehoben werden – sowohl diejenigen, die die Türkei gegenüber den griechischen Zyprioten erhebt, als auch jene, die die internationale Gemeinschaft den türkischen Zyprioten auferlegt.

Es sieht aber nicht danach aus, dass das EU-Mitglied Zypern – also die griechischen Zyprioten – einem solchen Schritt zustimmen werden. Muss man sich da nicht nach Alternativen umschauen?

Ich denke, es gibt keine Alternative. Die Türkei hat ihre Restriktionen gegen die Zyperngriechen damals als Antwort auf entsprechende Maßnahmen gegen die Zyperntürken eingeführt. Wenn die EU also jetzt von der Türkei die Aufhebung verlangt, warum dann nicht auch umgekehrt? Das verlangt nach einer Erklärung. Aber die hat es bisher nicht gegeben. Oder gibt es irgendeinen Grund, warum man die Zyperntürken isoliert? Ich glaube nicht.

Die zyperngriechische Seite ist aber Mitglied der EU.

Da haben Sie Recht. Aber das ist absolut ungerecht. Soweit ich weiß, basiert die EU auf fairen Werten, Kompromissen und Dialog. Aber die zyperngriechische Seite verweigert jeden Dialog mit uns.

Gesetzt den Fall, es gäbe eine Konfliktlösung: Sind Sie dazu bereit, Nordzypern als Staat aufzulösen?

Ja. Der Staat würde ebenso wie der zyperngriechische zu einem vereinten Land transformiert.

Können Sie sich denn vorstellen, eine Lösung jenseits des Annan-Plans zu finden, der von der zyperngriechischen Seite doch abgelehnt worden ist?

Das ist möglich. Aber das würde viele Jahre dauern. Alles müsste wieder ganz von vorn beginnen. Das wäre nicht sehr logisch. Meine Vorstellung ist, mit dem Annan-Plan weiterzumachen.

Wären Sie bereit zu direkten Gesprächen mit dem zyperngriechischen Präsidenten Papadopoulos?

Ich habe ihn viele Male angerufen. Aber er akzeptiert kein direktes Gespräch. Er lehnt ab. Der Grund ist nahe liegend: Er will nicht über eine Lösung verhandeln.

INTERVIEW: KLAUS HILLENBRAND