Massenproteste in Madrid gegen die ETA

Hunderttausende demonstrieren gegen die Absicht der spanischen Regierung, mit der ETA und der verbotenen Batasuna zu verhandeln. Konservative Opposition bricht Kontakte zur Regierung ab. Auch aus den Reihen der Sozialisten wird Kritik laut

AUS MADRID REINER WANDLER

„Verhandlungen in meinem Namen: nein!“ und „Zapatero Betrüger“ stand auf den Schildern, die die Teilnehmer der Großdemonstration der Vereinigung der Opfer des Terrorismus (AVT) am Samstag in Madrid mit sich führten. Nach Angaben der Regionalbehörden demonstrierte knapp eine Million Menschen gegen die von Regierungschef Luis Rodríguez Zapatero angekündigten Verhandlungen mit der baskischen Separatistenorganisation ETA, die seit Ende März einen „permanenten Waffenstillstand“ einhält, sowie deren verbotenen politischen Arm Batasuna. Laut spanischer Innenbehörde waren es etwas über 200.000.

„Wir sind zusammengekommen, damit die Erinnerung, die Würde und die Gerechtigkeit nicht verspielt werden, wenn der Rechtsstaat sich vor einer Mörderbande beugt“, rief der AVT-Vorsitzende Francisco José Alcaraz auf der Abschlusskundgebung. Und der Vorsitzende der konservativen Partido Popular (PP), Mariano Rajoy, verlangte, dass „auf keinen Fall mit einer terroristischen Vereinigung politisch verhandelt oder gar ein Preis bezahlt werden“ dürfe.

Grund für die Kritik ist die Ankündigung von Regierungschef Zapatero, der Vorsitzende seiner sozialistischen PSOE im Baskenland, Patxi López, werde sich mit der verbotenen Batasuna treffen. Als sich López in der vergangenen Woche das Konzept der ETA-nahen Partei einer doppelten Verhandlungslösung zu eigen machte, rief dies die Kritiker der Regierungspolitik auf den Plan.

Der Vorschlag sieht vor, dass Regierung und ETA über alle militärischen Fragen sowie den Umgang mit den über 600 Inhaftierten reden sollen. Zudem soll ein Tisch aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte aus dem Baskenland die Zukunft der Region diskutieren.

Für die AVT ist dies „der erste politische Preis“, den die Regierung den Terroristen zahlt. Die PP geht noch weiter. „Das Projekt von Zapatero ist das von ETA“, wetterte der Generalsekretär der PP und Exinnenminister Angel Acebes vergangenen Woche und brach alle Kontakte seiner Partei zur Regierung Zapatero ab.

Auch aus den Reihen der Sozialisten wird Kritik laut. Eine der wichtigsten Gegnerinnen der Politik Zapateros ist dort die baskische Europaabgeordnete Rosa Díez. Offizielle Gespräche mit Batasuna seien eine Aufwertung der radikalen Partei und käme einer Wiederzulassung vorbei an den Richtern gleich. „Die große Mehrheit der Spanier“ unterstütze den von ihm geleiteten Friedensprozess, sagte Zapatero am Samstag. „Diese Regierung hat das Recht, es zu versuchen und dabei von allen unterstützt zu werden“, verteidigt sich der Sozialist. Jede der bisherigen Regierungen habe mit ETA verhandelt und sei dabei von der Opposition unterstützt worden.

Noch nie sei die Chance auf einen Frieden so gut gewesen wie jetzt, ist sich Zapatero sicher. Während die PSOE-Führung ankündigt, alles tun zu wollen, um sich mit der PP zu verständigen, erklärt der Regierungschef, er wolle noch vor der Sommerpause vom Parlament die Erlaubnis zu einem Dialog mit ETA einholen. Außer der PP weiß Zapatero dort alle Parteien hinter sich.

Unter den Demonstranten der AVT waren auch zahlreiche Überlebende der Bombenanschläge auf die Pendlerzüge von Madrid am 11. März 2004, bei denen 192 Menschen getötet wurden. Sie forderten weitere Ermittlungen. Das Ergebnis einer zwei Jahre andauernden Untersuchung hatte viele Widersprüche an den Tag gebracht. So stand ein Teil der Tatbeteiligten als Polizeispitzel mit den Behörden im Kontakt. Obwohl die Ermittlungsbehörden eine Beteiligung der ETA ausschließt, zweifeln viele Opfer, Oppositionspolitiker sowie einige Zeitungen daran.

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