Turm, Tempel, Platte

KUNST In der Städtischen Galerie eröffnen heute drei sehr unterschiedliche Ausstellungen mit Arbeiten von Preechaya Siripanich, Anneli Käsmayr und Rimas Sakalauskas

Von HENNING BLEYL

Die Wand strahlt türkis, darüber gilben 25 Buchstaben: „heute kommt und morgen bleibt“. Das hat Rene Zechlin, der Leiter des Hannoveraner Kunstvereins, angesichts der Arbeiten von Preechaya Siripanich formuliert. Siripanich bekam 2009 den Bremer Förderpreis für Bildende Kunst – den man in den Viten bemerkenswert vieler KünstlerInnen findet, die später mit Villa Massimo- oder „Cité des Arts“-Aufenthalten geadelt wurden.

Siripanich darf zunächst mal in der Städtischen Galerie ausstellen. Die Installation mit den produktiv weiterverarbeiteten Juroren-Worten füllt den größten Teil der Längsseite des Galerieraums, zwischen dem „e“ und dem „u“ des „heute“ hängt ein dunkelgrüner Stoffbeutel. Was würde geschehen, wenn Siripanich ihn ins „morgen“ verschöbe? „Das habe ich auch schon ausprobiert“, sagt der ehemalige HfK-Meisterschüler. So jedoch seien die Objektbeziehungen am ausgewogensten.

In der Tat: Die Tasche markiert gemeinsam mit einer Säule und deren Schatten die Eckpunkte eines nahezu gleichschenkligen Dreiecks. Es ist ein schlanker Schlagschatten, den Siripanich aus schwarzem Samt geformt hat. Er nennt die Arbeit „Sonnenfinsternis“, auch ein strahlenförmig gestaltetes Zaunstück, das an der Säule lehnt, gehört zum installativen Ensemble. Siripanich liebt diese Art fragiler objets trouvés, auch umherwehende Taschentücher und Plakatfetzen, die eine Stadt für ihn „lebendig machen“. Die „Poesie der Stadt“, überhaupt Urbanität seien sein Thema, sagt er. Aber erlebt man Bremen als urban, wenn man aus Bangkok stammt? „Das ist schon eine Stadt“, antwortet der Thailänder höflich.

Er schaffe „modellhafte Situationen von kompositorischer Dichte“, urteilte die Jury im vergangenen Jahr, zudem verliere Siripanich nicht „das einfache Schlichte und Rudimentäre“ aus den Augen. Holz geworden ist diese Devise im Nachbarraum: ein provisorisches, halb offenes Gebäude, Bushaltestelle oder „kleiner Tempel“, wie Siripanich selber sagt. Umrundet man den Bau, gewinnt das Transitorische eine weitere Komponente hinzu: Siripanich hat eine Art Laufsteg angefügt, dessen Funktionalität allerdings durch eine große Kerze gemindert wird, die auf ihm brennt. Siripanichs Lust an der Ambivalenz führt zurück zum Türkis: Eine Farbe, die weder politisch noch naturhaft ist.

Umso zweckorientierter erscheint die Arbeit von Anneli Käsmayr, die 2005 ebenfalls Förderpreisträgerin war. Bekannter ist sie freilich als ehemalige Betreiberin des „dreijahre“. Nun hat sie hat einen Plattenladen aufgebaut. Während der Galerie-Öffnungszeiten soll er tatsächlich als solcher funktionieren, auch als Versammlungsort von Menschen, die über Musik reden wollen. Auf niedrigen Tischen stapeln sich uralte „Sounds“-Ausgaben, die Wände hängen voller Staubsaugerbeutel – denkt man.

In Wirklichkeit handelt es sich um pappfarbene Blanko-Plattencover, in denen die aktuelle Scheibe von Käsmayrs Band „sex“ steckt. Titel: „can’t find no sex in the record shop“. Musik findet sich dort hingegen schon, nicht zuletzt durch die gut 40 Veranstaltungen, die die Gruppe während der Ausstellungs-Laufzeit dort durchführen will.

Im Erdgeschoss der Städtischen Galerie erwartet den Besucher eine gewisse Synthese aus Bodenständigkeit und konzeptionellem Überbau: Rimas Sakalauskas’ Video-Schleife „Synchronisation“. Der angewandte Blue Box-Trick ist simpel, der Effekt nichtsdestoweniger großartig: Sakalauskas filmt Wasser- und Fernsehtürme, die er allmählich ins Rotieren kommen lässt – während die übrige Umwelt dem Zeit/Raum-Kontinuum die Treue hält.

Irgendwann heben die Türme ab und schweben von hinnen. Um als objet trouvé in einer Siripanich-Installation zu landen? Wahlweise wäre Käsmayrs Plattenladen als Landeplatz möglich, zerberstendes Vinyl inbegriffen. Ein Mangel an Phantasieanregung kann der aktuellen Dreifach-Exposition also keinesfalls vorgeworfen werden.

Bis zum 18. Juli in der Städtischen Galerie am Buntentorsteinweg 112. Eröffnung: Samstag (heute) um 19 Uhr