BERNHARD PÖTTERDIE RETTUNG DER WELT
: Die Ölpest als Waffe

Der wahre Skandal ist nicht die Sauerei mit der „Deepwater Horizon“. Sondern dass das Ölsystem wie geschmiert funktioniert

Papa, warum machen die das Loch nicht zu?“, wundert sich meine Tochter vor dem Fernseher. Was soll ich sagen, wenn auf diese Frage seiner Tochter schon Barack Obama keine Antwort hatte? Vielleicht, dass sich wohl selten eine Firma so gewünscht hat, sie hätte an die eigenen Werbeslogans geglaubt: Wäre BP tatsächlich „beyond petroleum“, wäre die Sauerei mit der „Deepwater Horizon“ nicht passiert.

Jetzt gilt das Prinzip Hoffnung: dass BP irgendwann irgendwie das Bohrloch schließt. Und das Prinzip Empörung: BP wird – bei einem Gewinn von 6 Milliarden Dollar im ersten Quartal – die Milliarden an Strafe und Entschädigung locker zahlen. Und die ruinierten Fischer nach 20 Jahren Prozessen mit Peanuts abspeisen. Empörung auch darüber: Die Lizenzbehörde MMS war korrupt – ach was, im Ölgeschäft wird geschmiert? Es wurden Regeln missachtet – ach nee, da wird gepfuscht? Ingenieure bohrten ohne Notfallpläne in 1.500 Meter Wassertiefe – ach, in der Branche geht es um Profit um jeden Preis?

Wut auf die Kriminellen mit der Lizenz zum Bohren ist berechtigt. Aber sie lenkt davon ab, worüber wir uns wirklich aufregen sollten: über all die Ölbohrungen, Raffinerien und Tankstellen, die reibungslos funktionieren. Für die das System Öl Regenwälder rodet, Ureinwohner vertreibt und bei Betrieb und Betankung von Schiffen und Pipelines eine permanente Ölpest in den Weltmeeren anrichtet. Gar nicht zu reden von den 40 Millionen Tonnen CO2, die täglich aus Ölprodukten in die Atmosphäre gelangen – so viel, wie die Schweiz in einem Jahr ausstößt.

Die Pest von Louisiana trifft nicht „die Richtigen“, wie man manchmal leise hört. Pelikane und Fischer machen keine Energiepolitik. Das Öl vergiftet ihr Leben, nicht den Vorgarten des BP-Chefs. Wenn das Desaster zu etwas nützt, dann als politische Waffe: Dem nächsten, der staatliche Regulierung ablehnt, weil Unternehmen das angeblich besser können, sollte man die „Deepwater Horizon“ tief in den Rachen stopfen. Abbau staatlicher Kontrolle und blinder Glaube an die Verantwortung der Unternehmen sind schuld an den aktuellen Großkatastrophen. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Märkte ohne Kontrolle Amok laufen. Die Ölpest beweist, dass man Firmen in sensiblen Bereichen mehr auf die Finger schauen muss – nicht etwa weniger.

■ Der Autor ist Journalist und liebt Olivenöl Foto: privat