Premier in Tunis erkoren

TUNESIEN Einigung im Rahmen des Nationalen Dialogs: Jomaa wird neuer Regierungschef

VON REINER WANDLER

MADRID taz | Am Samstagabend haben sich die regierende islamistische Ennahda und ihre beiden Koalitionspartner im Rahmen des Nationalen Dialogs mit der Opposition auf den Rücktritt des Premiers Ali Laarayedh verständigt. Er wird durch Industrieminister Mehdi Jomaa ersetzt. „Unser Volk hat lange warten müssen, aber trotz aller Schwierigkeiten ist der Dialog nicht gescheitert“, zeigte sich der Vorsitzende der starken tunesischen Gewerkschaft UGTT, Houcine Abassi, erleichtert. Er hatte während der zwei Monate dauernden Gespräche zwischen dem Unternehmerverband, dem Anwaltsverein und der Menschenrechtsvereinigung vermittelt.

Der Dialog war von der Opposition erzwungen worden, nachdem Tunesien im Juli nach der Ermordung eines wichtigen linken Oppositionspolitiker in eine tiefe politische Krise geriet. Bereits Anfang des Jahres musste die erste freigewählte Regierung im Geburtsland des Arabischen Frühlings abtreten. Auch damals war ein linker Oppositioneller und Gewerkschafter bei einem Anschlag getötet worden.

Der Dialog endete am Samstag trotz Einigung turbulent. Nur 11 der 21 Parteien nahmen an der Abstimmung über Jomaa teil. Mehrere Oppositionsparteien, darunter die in Umfragen stärkste politische Kraft, Nidaa Tounes, sowie die sozialdemokratische Republikanische Partei und die linke Volksfront hatten die Gespräche verlassen.

Was der Boykott der Wahl Jomaas durch Teile der Opposition für die Zukunft bedeutet, wird sich am Mittwoch zeigen. Dann soll, so UGTT-Chef Abassi, der Nationale Dialog erneut zusammentreten, um den Fahrplan zur Fertigstellung der Verfassung sowie die Vorbereitung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen für kommendes Frühjahr zu besprechen. Für die Parteien, die die Abstimmung boykottierten, gilt Jomaa als Mann der islamistischen Ennahda, auch wenn er kein Parteibuch besitzt und als Unabhängiger im Kabinett saß. Deshalb bleiben sie wohl vorerst auf Distanz.