„Ohne Urteil inhaftiert“

NAHOST-KONFLIKT Claus Walischewski referiert anhand des Amnesty-Berichts über Israel und Palästina

■ 66, Lehrer i. R ., ist seit 2010 Bremer Bezirkssprecher von Amnesty International.

taz: Herr Walischewski, der Nahostkonflikt ist einer, bei dem man schnell zwischen die Fronten gerät …

Claus Walischewski: Genau. Das stimmt.

Und – wie vermeiden Sie das?

Ich versuche, so gut ich kann, die Position von Amnesty International einzunehmen, die mir weitgehend objektiv erscheint. Und ich ergänze das durch meine Sicht auf den Vorlauf, die Vorgeschichte dieses Konflikts, weil man den ohne seine Entstehung nicht begreifen kann.

Amnesty thematisiert tatsächlich ja Menschenrechtsverletzungen auch der Autonomiebehörde, während sogar die UN ihren Sondergesandten ausdrücklich nur damit beauftragen, Menschenrechtsverletzungen Israels zu beobachten …

Das ist richtig, wir haben beispielsweise auch einen Mailprotest gegen eine drohende Hinrichtung aufgrund eines Urteils durch die Hamas-Behörden gestartet. Allerdings ist die Menschenrechtslage klar durch Israels Rolle als Besatzungsmacht geprägt. Die Autonomiebehörde ist schon territorial nur für einen sehr kleinen Teil zuständig. Die Menschenrechtsverletzungen gehen vorwiegend von Israel aus.

Und wie lässt sich darauf reagieren?

Das Wichtigste ist, dass man zu Menschenrechtsverletzung nicht schweigt – zu keiner, egal, wo sie geschieht. In konkreten Fällen versuchen wir, Druck zu machen – durch Öffentlichkeit, etwa durch Protestkarten oder Mailings. Ein Beispiel sind die Fälle der Kriegsdienstverweigerer, die, weil ein Zivildienst in Israel nicht vorgesehen ist, fast automatisch ins Gefängnis kommen. Da zeigt sich, dass sie mittlerweile meist relativ schnell freikommen. Ein anderes Thema, das uns auf den Nägeln brennt, ist die Administrativhaft.

Das heißt?

Es geht darum, dass in Israel Menschen ohne Urteil und auf unbestimmte Zeit inhaftiert werden – weil sie für gefährlich gehalten werden: Da sprechen wir von 300 Fällen. Das ist kaum bekannt, auch PolitikerInnen – und hat in einem Rechtsstaat nichts zu suchen. Das muss aufhören – und das wird es erst, wenn Druck entsteht, durch Öffentlichkeit.  INTERVIEW: BES

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