Außen banal, innen sakral

Ausgerechnet der langweiligste Entwurf siegt beim Kunst-Wettbewerb für die Hafencity. Die beiden Türme des Künstlers Thomas Schütte erinnern an graue Stahlflaschen. Wenigstens besitzt der größere von beiden innen eine Bar

Die Hafencity braucht Kunst. Dauerhafte Kunst, die einen gleichberechtigten Part spielt im neuen Stadtteil: Immer lauter wurden die Rufe der Künstlerschaft nach Beteiligung am Utopia jenseits der Speicherstadt. Und immer arger fürs Renommee geriet die Taktik der Hafencity GmbH, den Künstlern allenfalls harmlose Sommerbespielungen zu gestatten. Was lag also näher, als fürs Image per Wettbewerb nach einem permanenten Kunstwerk zu suchen?

Als Verlängerung der Kunstmeile, die von der Kunsthalle bis zu den Deichtorhallen führt, ist das jetzt zu bespielende Areal gedacht. Jury und „Künstler-Paten“ waren unter anderem mit Hamburger Museumsleitern besetzt, die schließlich fündig wurden: Der 1954 in Düsseldorf geborene Thomas Schütte, 1987 auf der documenta vertreten und in Hamburg durch die Gestaltung des Dokumentenhauses Neuengamme bekannt, hat das Rennen gemacht. Eine flaschenförmige Lampe aus Stahlverstrebungen hat er entworfen – genau genommen deren zwei: Um 15 Prozent variiert die Größe der beiden Teile seines „Tower of Talkers“, der dereinst gegenüber dem „ Internationalen Maritimen Museum“ Peter Tamms stehen wird. Eine Außenhaut soll über den Corpus gezogen, die auf der Spitze sitzende Kugel beleuchtet werden. Als „eigenständige Setzung“ bezeichnete die Jury das Werk, das sich „souverän mit der architektonischen Situation der Hafencity“ auseinander setze.

Äußerst praktisch obendrein: die Bar, die der Künstler in dem größeren, 40 hohen Turm installieren will. „Man kann das durchaus als Reminiszenz an die gute alte Hafenkneipe begreifen“, so Schütte. „Außen banal, innen sakral“ skandierte der Künstler zufrieden.

Dabei kann die Entscheidung der Jury nur als mut- und farblos bezeichnet werden. Nicht den riesigen orangefarbenen Oktopus einer Katharina Fritsch hat man gewählt. Auch der als Archiv gedachte Rettungsring Stephen Craigs war den Juroren zu riskant. Und schon gar nicht hat man sich zu dem anarchischen Alu-Plexiglas-Gewirr eines Olaf Metzel hinreißen lassen. All dies sei „aufgrund von Proportionsproblemen“ abgelehnt worden, beteuerte bei der gestrigen Präsentation Deichtorhallen-Chef Robert Fleck. Man habe bezweifelt, dass sich diese Werke angesichts der Hafencity-Architektur würden behaupten können.

Hierfür scheinen Schüttes graue Flaschen-Türme besser geeignet – und vor allem: Sie stören die Hafencity-Bebauung weder ästhetisch noch farblich. Allzu subversiv oder gar karikaturesk sind sie auch nicht. Und sollte es doch einmal kritische Fragen geben, wird man sich immer auf den gastronomischen Nutzwert der „Towers“ zurückziehen können. Petra Schellen