Hauptstadt ungezügelter Umbrüche

YANGON Myanmars Metropole und einstige Hauptstadt kämpft mit schnellem Wachstum

VON SHWE SIN OO

Der größte Krach kommt vom Hupen der Autos, selbst wenn sie durch Zonen mit Hupverbot fahren. Autofahrer nehmen Abkürzungen über Bürgersteige, um Staus auszuweichen. Niemand schert sich dabei um die Fußgänger. So ist das täglich an der Kreuzung Anawratha Straße und Sule Pagode Straße, direkt am Sitz des Komitees für Yangons Stadtentwicklung (YCDC).

Die Menschen in der früheren Hauptstadt Yangon (Rangun) fühlen sich vernachlässigt, seit die neue Hauptstadt Naypyidaw 2005 vom damaligen Militärregime bezogen wurde. Heute sind die Hauptsorgen der Bewohner der Hafenmetropole Yangon der stark angestiegene Verkehr, das inadäquate Entwässerungssystem, teure Wohnungspreise und Wohnraummangel, das schlechte Nahverkehrssystem, die mangelnde Infrastruktur und die vielen Stromausfälle. „Es ist so mühsam in Yangon zu überleben. So war es früher nicht“, klagt der 30-jährige Taxifahrer Ko Myint Kyaw über die Verkehrsprobleme.

Zu viele neue Autos

Die verschärften sich vor drei Jahren, als plötzlich jeder eine Importerlaubnis für Autos bekommen konnte, ohne dass die Regierung von Thein Sein ein angemessenes System des Verkehrsmanagements entwickelt hätte. Vom 25. Oktober 2011 bis 24. September 2013, also in knapp zwei Jahren, stieg laut Handelsministerium die Zahl der Autos in Yangon von zuvor 300.000 um weitere 210.000.

Erst jetzt gibt es Vorschläge, das Bahnsystem auszubauen, mehr Busse zu importieren und ein funktionsfähiges Straßennetz aufzubauen. Schon vor einem Jahr hatte das Stadtentwicklungskomitee JCDC zusammen mit Japans Entwicklungsagentur Jica eine Modernisierung des Bahnsystem und die Einführung eines Busspursystems angekündigt. Auch sollten 3.000 Doppeldeckerbusse aus Japan beschafft werden. Doch die Umsetzung dieser Pläne hat immer noch nicht begonnen.

Die fehlende städtische Infrastruktur kann die großen Investitionen behindern, die seit Beginn der Reformen ins Land kommen. „Wenn ein verarbeitender Betrieb wie etwa eine Bekleidungsfirma hier investieren will, erhöht der Mangel an Infrastruktur sicher ihre Produktionskosten“, sagt Masaki Takahara von der japanischen Handelsorganisation Jetro. Yangon könnte zu einer zentralen Wirtschafts- und Tourismuszone werden. Doch um den alten Stolz der Stadt wiederherzustellen, bräucht es enormer finanzieller Mittel.

Während der Regenzeit gibt es Überschwemmungen in allen 45 Bezirken der Stadt. Denn es fehlt ein adäquates Entwässerungssystem. „Jeden Tag während der Regenzeit dringt Wasser in mein Haus ein, selbst wenn es nicht so stark regnet. Manchmal schwimmen Schlangen oder Insekten im Wasser, und dann ist es besondern schlimm für uns“, sagt Frau Thiri aus dem Bezirk Tharkata. Die Bezirke Myankone, Hlaing, Nord- und Süd-Oakkalapa sind besonders berüchtigt für ihre Überflutungen. Laut dem Berater des Stadtplanungskomitees Kyaw Latt sind vor allem fehlende Fluttore in Yangons Abflusskanälen die Hauptursache für die schweren Überschwemmungen in der Regenzeit.

Wohnungsmangel

Weil jetzt schon zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes in Yangon leben, ist die schnell wachsende Einwohnerzahl zu einer großen Herausforderung für das urbane Management geworden. Der Mangel an Wohnraum kann wegen der durch Spekulation angeheizten Preise nicht so einfach beseitigt werden. Mit der politischen Transformation hat Yangon einen der teuersten Immobilienmärkte Asiens bekommen. Die Bevölkerungszahl ist von 2,47 Millionen im Jahr 1988 auf 5,14 Millionen 2011 gestiegen. Laut dem Entwicklungskomitee der Stadt wächst deren Bevölkerung dreimal schneller als der Wohnraum. So wurden im Schnitt der letzten Jahre nur 7.200 Wohneinheiten jährlich neu gebaut, während jeweils 23.000 Familien neu in die Stadt zogen.

„Wenn die Regierung nicht schnell handelt, entwickelt sich das Wohnungsproblem zu einer Zeitbombe“, sagt ein Mitarbeiter des Entwicklungskomitees. Auch dürften dann die Probleme der Stadt im Umgang mit denjenigen wachsen, die einfach widerrechtlich städtische und öffentliche Grundstücke besetzten. Die Regierung der Region Yangon, das Stadtplanungskomitee und Japans Jica-Agentur haben eine Zukunftsvision und einen strategischen Masterplan erstellt: das Groß-Yangon Stadtentwicklungsprojekt vom März 2013.

Mit der Reformperiode hat die Regierung viele Entwicklungsprojekte überall im Land begonnen. Aber es ist eine große Herausforderung, diese umzusetzen. Das wird durch die noch vorherrschende Mentalität des alten Militärregimes behindert und durch das Fehlen starker Institutionen in der Verwaltung. So werden viele Projekte gar nicht realisiert oder mitten in der Umsetzung gestoppt. Vor allem das Bevölkerungswachstum verlangt jetzt große Aufmerksamkeit.