AMERICAN PIE
: Systematisch unsympathisch

FOOTBALL Die Dallas Cowboys, einstmals „America’s Team“, haben sich zu Amerikas beliebtester Lachnummer entwickelt

Dirk Nowitzki war krank. Der deutsche Basketballprofi musste deshalb am Samstag das Spiel seiner Dallas Mavericks gegen Milwaukee ausfallen lassen. Am Sonntagnachmittag ging es ihm schon besser, als er es sich vorm Fernseher gemütlich machte, um das Spiel der Football-Kollegen von den Dallas Cowboys zu sehen. Doch nach der 36:37-Niederlage gegen die Green Bay Packers „habe ich mich wieder krank gefühlt“, verriet Nowitzki Reportern am Montag.

Damit ist Nowitzki nicht allein. Denn es gibt kaum einen anderen Verein, der solch extreme Emotionen hervorruft wie die Cowboys. Früher liebte oder hasste man sie, heute machen sie ihre Fans: krank. Schon seit Jahren geht Dallas mit Super-Bowl-Hoffnungen in die entscheidende Phase der Saison, um dann im Dezember auf bizarre Art und Weise sogar das Minimalziel Playoff-Teilnahme zu verspielen. Aus der einstmals so erfolgreichen Mannschaft ist der Psycho-Fall der NFL geworden. Das sogenannte „America’s Team“ wird nun mit Häme überschüttet.

Aber so grotesk wie am Sonntag haben sich die Cowboys lange nicht blamiert. Souverän spielten sie auf und führten 26:3 – nur um nach der Halbzeitpause im Gefühl des sicheren Sieges einzubrechen und Green Bay mit einer Serie peinlicher Anfängerfehler zu helfen, das Spiel noch zu drehen.

Nun haben die Cowboys es zwar immer noch selbst in der Hand, sich mit zwei Siegen in den letzten beiden Partien die Playoff-Teilnahme zu sichern, aber darauf zu wetten, das wagt momentan niemand in Dallas. Zu labil ist die Mannschaft, offensichtlich auch zu zerstritten. Während das Unheil gegen Green Bay seinen Lauf nahm, konnte man beobachten, wie sich einzelne Spieler an der Seitenlinie in die Haare bekamen. Wide Receiver Dez Bryant, das Enfant terrible des Teams, verschwand noch vor dem Abpfiff wie ein beleidigter Schuljunge in der Kabine. Am Tag danach versucht er den Fauxpas damit zu erklären, dass er „nicht an der Seitenlinie mit Tränen in den Augen erwischt werden wollte“.

Bryant ist allerdings schon des öfteren unangenehm aufgefallen. Der 25-Jährige besitzt ein riesiges Talent, aber auch den Willen, das jeden wissen zu lassen. Zudem gerät das Großmaul regelmäßig in Schlägereien, lässt schon mal in der Öffentlichkeit die Hosen runter, legt sich gern mit der Polizei an, wurde verklagt wegen Diebstahls und einmal verhaftet, weil er seine leibliche Mutter geschlagen hatte.

So unsympathisch Bryant ist, der Posterboy für die Misere aber heißt Tony Romo. Der Quarterback verdient wie ein Star, spielt gelegentlich auch wie einer, aber versagt dann mit schöner Regelmäßigkeit ausgerechnet in den entscheidenden Spielen. Seit Romo vor sechs Jahren vor einem Playoff-Spiel noch einen Kurzurlaub in einem mexikanischen Luxus-Resort einlegte, ist seine Arbeitsauffassung umstritten, und seit einer anderthalbjährigen Beziehung mit dem Starlet Jessica Simpson heißt es von dem 33-Jährigen, dass ihm sein VIP-Dasein wichtiger ist als sein Beruf als Football-Profi.

Bryant und Romo sind die Gesichter einer Mannschaft, die nicht leiden zu können in den USA mittlerweile Volkssport geworden ist. Auch am Sonntag besiegelte Romo die Niederlage mit zwei solch katastrophalen Ballverlusten, dass er anschließend sogar vom bisher krankhaft loyalen Cheftrainer Jason Garrett zum Sündenbock erklärt wurde.

Aber eines ist auch sicher: Die beiden Unsympathen müssen nur einmal die Super Bowl nach Dallas holen, dann ist alles vergeben und vergessen. Denn in Texas lieben sie vor allem eins abgöttisch: Sieger. Ein gewisser Dirk Nowitzki kann davon ein Lied singen. THOMAS WINKLER