Sein Heimspiel

Heute spielt Miroslav Klose, Pfälzer Bub und Liebling der Deutschen, in Dortmund gegen sein Geburtsland Polen

aus BERLIN MARKUS VÖLKER

Sie lässt nicht lang auf sich warten, die I-Frage. Wie hat sich Miroslav Klose, der gebürtige Pole, in Deutschland integrieren können? „Über den Fußball“, antwortet Klose. Klingt einfach. Man wird Weltklassefußballer und schon klappt’s. Fußball bietet ja angeblich beides: eine Eingliederungsgarantie und die Aufstiegschance obendrauf. Oder? „Nach der Schule flog der Ranzen in die Ecke und dann stand nur noch der Bolzplatz im Mittelpunkt“, erzählt der 28-Jährige. Und wenn die Mannschaften auf dem Bolzplatz zusammengestellt worden sind, wurde Klose immer als Erster gewählt. Klar, er konnte kicken. Das zählte. Nichts anderes. „So habe ich die ersten Freunde gefunden, so hat die Integration geklappt.“ So wurde „Miro“ zum Liebling der Deutschen.

Klose ist den Weg von Opole in Polen nach Blaubach/Diedelkopf gegangen. Da war der kleine Mirek achteinhalb. Er ist dann später zum Kicken nach Kaiserslautern gegangen und nach Bremen. Seine Herkunft spielte da überhaupt keine Rolle mehr. Polen ist Heimat für Klose – aber auch ein fernes Land. Wenn er von Polen erzählt, dann spricht er über „diese Menschen“ und „dieses Land“. In seinen Aussagen liegt viel Distanz. Klose ist denn auch in erster Linie Pfälzer, ein echter Eingeborener. Und weil er auch ein Topstürmer ist, könnte aus ihm – wer hätte das gedacht – ein Weltbürger werden. Sein Vertrag in Bremen läuft 2008 aus. Klose kann sich vorstellen zu wechseln. Zu einem europäischen Großverein. Früher hätte er am liebsten seine Karriere in Kaiserslautern beendet und ewig in Blaubach/Diedelkopf gewohnt. Heute sieht das anders aus. Klose hat sich gemacht. Nicht nur im Strafraum.

Der Stürmer hat Zeit gebraucht, um sich von der Provinz zu lösen. Die Tore für Werder Bremen halfen ihm dabei. 25 hat er in dieser Saison geschossen – ein Spitzenwert. Und weil er im Eröffnungsspiel dieser WM auch schon zweimal getroffen hat, muss er nun auch ziemlich oft die T-Frage beantworten, die Frage, ob er Torschützenkönig dieser Fußball-Weltmeisterschaft werden kann. Das sei nicht sein vorrangiges Ziel, sagt Klose dann in pfälzischem Dialekt, mit vielen „der wo“ und „die wo“. Bei der WM vor vier Jahren hat er sich nur von Ronaldo überflügeln lassen. Der hatte achtmal getroffen, Klose fünfmal. Es war schon überraschend, dass Klose, der von einem deutschen Provinzklub zum Championat nach Fernost gekommen war, den großen Ronaldo herausfordern konnte. Heute antwortet Klose auf die T-Frage und die aktuellen Anwärter auf den Torschützenthron so: „Ronaldo kann’s werden und alle anderen.“ Was heißen soll: Auch er selbst hat gute Chancen, den pummeligen Angreifer von Real Madrid auszustechen.

Vielleicht muss Klose gar nicht so sehr auf Ronaldo achten, sondern auf Lukas Podolski. Er stammt wie Klose aus Polen und steht neben ihm im deutschen Sturm. Auch er ist in Form. Beide treffen heute Abend (21 Uhr, ARD) auf das polnische Team, das „mit dem Rücken zur Wand steht“. Sie könnten sich problemlos mit den gegnerischen Spielern auf Polnisch unterhalten, aber mehr als ein paar Floskeln werden sie nicht austauschen. Dafür geht es um zu viel. Für die Deutschen um alles, für die schlecht gestarteten Polen noch um viel mehr. Klose glaubt: „Die werden mit Messern zwischen den Zähnen auf uns losgehen.“ Und: „Ein angeschlagener Boxer ist besonders gefährlich.“ Das klingt ein bisschen wie zurechtgelegt. Und richtig: Klose ist kein großer Redner, auch wenn er nun, da er in die Rolle eines Führungsspielers schlüpft, in schöner Regelmäßigkeit von der DFB-Presseabteilung aufs Podium geladen wird.

Auch auf dem Platz wirkt er, der von seinen Kollegen in diesem Jahr zum besten Bundesliga-Spieler gewählt worden ist, auf den ersten Blick ungelenk. Beim Laufen tanzt sein Oberköper einen seltsam anmutenden Schulter-Shuffle, doch den Ball mag Klose: Er kann nicht nur knipsen, wie es Stürmer vorm Tor gerne tun, er kann flanken, passen und überragend Kopfball spielen. Kurz: Er ist ein kompletter Offensivspieler. Das wirft die K-Frage auf: Wie hat er Fußball-Karriere gemacht? „Ich bin immer Sprosse für Sprosse die Leiter hinaufgegangen – und nicht mit einem Mal nach oben gesprungen.“

Ein echter Pfälzer Bub eben.