Die Bremer FDP zerreißt sich

STREIT Die Entscheidung der FDP-Fraktion, in der Bundesversammlung für den Präsidentschaftskandidaten von Rot-Grün zu stimmen, sorgt für Ärger

Ein tiefer Riss zieht sich durch die kleine Bremer Liberalen-Fraktion

VON FELIX ZIMMERMANN

Bremens FDP-Vorsitzender Oliver Möllenstädt mag mit 32 Jahren zu den jüngeren Gestalten in der Politik zählen, aber die politische Rhetorik beherrscht er mitunter wie ein Alter. Dazu gehört es, einen Konflikt, der längst aus dem Ruder gelaufen ist, mit Wendungen wie „nicht zu hoch hängen“ oder „nicht überbewerten“ souverän herunter zu spielen.

Ganz so einfach dürfte sich aber nicht abmoderieren lassen, was Partei und Bürgerschaftsfraktion derzeit erschüttert: Möllenstädt hatte kürzlich in seltener Eintracht mit FDP-Fraktionschef Uwe Woltemath für eine Wahl des rot-grünen Kandidaten für das Bundespräsidentenamt, Joachim Gauck, argumentiert. Um dessen Chancen zu erhöhen, will er sich als Wahlmann in eine Zählgemeinschaft mit Grünen und SPD einreihen, so hat es die fünfköpfige Fraktion beschlossen. Mehr noch: Möllenstedt und Woltemath hätten es gut gefunden, wenn die FDP einen eigenen Kandidaten für Schloss Bellevue nominiert hätte, um das Profil der Partei zu schärfen.

Das hat für erhebliche Missstimmung gesorgt, wie man aus diversen E-Mails heraus liest. Da wäre etwa die „mit liberalen Grüßen“ von den beiden stellvertretenden Landesvorsitzenden Katrin Freemann und Torsten Staffeldt unterzeichnete Einladung zur außerordentlichen Sitzung des geschäftsführenden Landesvorstandes für gestern Abend. Einziger Tagesordnungspunkt: die Zählgemeinschaft von FDP mit SPD und Grünen. Staffeldt, der seine Sympathie für den CDU-FDP-Kandidaten Christian Wulff erklärt hat, mailte auch direkt an den „lieben Oliver“ und den „lieben Uwe“: Angesichts der Meldung im Weser-Kurier, nach der „die Bremer FDP einen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten“ fordere, habe sich ihm die Frage gestellt, „ob die FDP nur zwei Mitglieder hat“. Das sei „bekanntermassen (sic!) nicht der Fall“, weshalb es schön wäre, wenn Gemeinsamkeit die Arbeit bestimmen würde. Damit das alle lesen, richtete Staffeldt die Mail an den gesamten Landesvorstand, unterschrieben mit – als wüsste das keiner mehr – „Euer Bundestagsabgeordneter“.

Bernd Richter, in der Bürgerschaftsfraktion für Bau und Verkehr zuständig, wundert sich über die Entscheidung der Fraktion, für Gauck zu stimmen. „Haben wir ein Interesse am Zusammenbruch der Koalition in Berlin und einer möglichen Neuwahl?“, fragt er bang in einer Mail. Er selbst nahm an der Fraktionssitzung nicht teil, meint aber, dass das ohnehin eine Sache für den Landesvorstand oder gar den Landesparteiausschuss gewesen wäre. Richter sieht einen „Riss durch unsere Bremer FDP“ gehen. Dass er recht haben könnte, zeigt auch seine Mail: Die ging nur an seine vier Fraktionskollegen, trotzdem gelangte sie wenig später an die Öffentlichkeit.

Oliver Möllenstädt sagte gestern, die Rede von einem Riss mache ihm Sorge. Aber auch das wollte er nicht zu hoch hängen: In der FDP habe es immer kontroverse Diskussionen gegeben, das sei doch ein Zeichen für eine lebendige Partei.