SPIELPLÄTZE (3)
: 3:2 für die Zwischennutzer

FUSSBALLGUCKEN Deutschland gegen Australien im Hedi

 Ort: Hedi, Torstraße 84–86, alle Spiele.

 Sicht: Die Bierbänke ganz rechts außen sollte man meiden. Sonst prima.

 Kompetenz: „Einer geht noch“, singt das Publikum. Es bleibt dann doch beim 4:0.

 Nationalismus: In der Regel internationales Mitte-Publikum. Beim Deutschland-Spiel eher homogen.

 Wurst: Die laut Karte Original Thüringer ist viel zu kurz und somit allenfalls eine normale Rostbratwurst. Schmeckt trotzdem.

Das Spiel läuft. Seit gut vier Jahren. 2006 setzte die Mannschaft der Zwischennutzer ganz auf das „Mitte Feld“. Das gleichnamige Fußballguckareal an der Brunnenstraße 12 in Mitte wurde mit Flyern beworben, auf denen in Panini-Bildchen-Art Kicker aus den 70ern zu sehen waren. Mit Bärten. Und Frisuren. Also mit Stil. Und Humor. Auf dem Baulückengrundstück gab es Bierbänke, Plastikstühle und hinten eine ausreichend große Leinwand unter einem Schuppendach. Sonnengeschützt. Prima. Lässig. Weltmeisterlich. Ein klares 1:0 für die Zwischennutzer.

Zwei Jahre später legten sie noch eins drauf. Etwas weiter oben an der Brunnenstraße, Ecke Schönholzer. Während der Europameisterschaft stand auf der Brache ein Container mit Leinwand darin. Daneben ein Plastikpool für kleinere Gäste oder aufgeheizte Gemüter. Spätabends wurden die Spiele gar an die Brandwände der Nachbarhäuser gebeamt. Gigantisch. So muss das sein. 2:0 für die Zwischennutzer.

Doch seither hat der Club der Bauherren mächtig aufgeholt. Wo einst das Containerkino begeisterte, stehen nun Ökolofts kurz vor der Fertigstellung. Das war der Anschlusstreffer. Und auf dem „Mitte Feld“, das die Zwischennutzer jahrelang als Parkplatz für einen Oldtimerlimousinenverleih verteidigen konnten, entsteht laut Bauschild gerade „extravagantes Wohnen“. Der Ausgleich – 2:2. Und schlimmer noch: Die Mauer der Investoren steht. Auf der Brunnenstraße ist kein Durchkommen mehr.

Doch zur WM 2010 weichen die Mitte-Zwischennutzer auf die Flügel aus und kommen über die – das lag ja auf der Hand – Torstraße zurück ins Spiel. Hinter der Mauer an den Grundstücken 84 und 86 verbarg sich bis vor kurzem ein alteingesssener Dachdeckerbetrieb. Jetzt findet man dort das „Hedi“. Es gibt Bierbänke und Sonnenschirme. Unter dem von der „Dach Mitte eG“ übriggebliebenen Schuppendach gibt es den Tresen und das Wichtigste: die Videoleinwand.

Das halbe Grundstück ist mit jungen Bäumen überwuchert. Das ist fast so wild wie die Bärte der Kicker aus den 70ern. Daneben steht ein kleines Tor samt Netz. Hier können kleine Jungs kicken, während ihre Eltern sich so etwas Langweiligem wie Fußballgucken widmen.

Klose raus oder Klose rein. Als Zwischennutzer muss man flexibel bleiben

Das aber tun die Erwachsenen mit einer gewissen Weltgewandtheit. Kein Wunder bei all den Backpacker-Hostels rund um die Torstraße. So echauffiert man sich auf Französisch, wenn Frankreich spielt. Wenn England kickt, schimpft man very british über den Torwart. Wenn Miroslav Klose eine Chance vergeigt, ruft alles: „Klose raus!“ Und wenn er dann doch sein Tor schießt, wird er gefeiert. Immer flexibel bleiben. So gelingt den Zwischennutzern das 3:2.

Aber leider ist die Partie noch nicht zu Ende. Im Gegenteil. „Wir bleiben hier nur bis Ende August“, verrät der Mann am Hedi-Grill. „Dann soll hier ein Haus gebaut werden.“ Für die EM 2012 sieht es düster aus. Dem Club der Bauherren scheint der Sieg nicht mehr zu nehmen sein. Es sei denn, die Zwischennutzer finden eine neuen Spielplatz. An der Linienstraße etwa stehen neu errichtete Luxuslofts schon seit Monaten leer. Offenbar ist die Ablösesumme zu hoch. Da könnte man doch … GEREON ASMUTH