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: Khedira, der Hausmeister

Während die Kids der Banlieues gegen den Mittelschichts-Star Gourcuff mobil machen und den französischen Traum von 1998 zerlegen, erleben wir in der deutschen Mannschaft eine multiethnische Idylle. Oder nicht?

Nein. Der Mix aus alten und neuen „deutschen Tugenden“ mag noch so liebevoll beschworen werden; er erklärt sich nicht aus einer breiter gewordenen nationalen Identität, die neben dem legendären Ärmelaufkrempeln nun auch das südländisch Spielerische enthält.

Das Assoziationspotenzial ist sicher verführerisch. Es ist auch atmosphärisch besser, sich für leistungsorientiert und sinnlich zu halten als für schlapp und verkniffen. Der DFB-Fußball konstituiert sich nichtsdestotrotz aus vier anderen Dingen: 1. Den Anforderungen des Gegenwartsfußballs. 2. Der Art, wie Bundestrainer Joachim Löw Fußball denkt. 3. Den professionalisierten Fußballschulen. 4. Dem neuen Staatsbürgerrecht seit 2000.

Durch die Fußballschulen haben wir besser ausgebildete Spieler. Wegen Rot-Grün haben wir Zugriff auf Migrantenkinder und damit eine größere Auswahl. Und wegen Löw spielen wir einen modernen Fußball. Sicherlich hat Samy Khedira recht, wenn er sagt, wie Mesut Özil spiele, könne man „nicht auf der Uwe-Seeler-Fußballschule lernen“. Aber Özil spielt nicht so, weil er türkischstämmig ist, sondern weil er Özil ist. Und weil man es ihm in der Jugend nicht ausgetrieben hat. Khedira indes, der Sohn eines Tunesiers, agiert eher wie das Klischee eines schwäbischen Hausmeisters. Weil er so drauf ist oder weil er im Schwäbischen aufgewachsen ist? Egal, jedenfalls kann man sich drauf verlassen, dass er die Kehrwoche nicht vergisst. Gleiches gilt für den schwäbisch-pietistischen Cacau. Poldi hat seinen harten Linksschuss auch nicht, weil er aus Polen stammt. Und Müller ist ein Jahrzehnttalent. Aber nicht weil er aus Bayern kommt.

Noch ist längst nicht ausgemacht, ob diese fleißigen, gut ausgebildeten Jungs hart genug sind für den internationalen Wettbewerb. Aber wenn man aus diesem Team unbedingt etwas ableiten will, dann ist es nichts, was die Gesellschaft widerspiegelt, sondern was sie übernehmen könnte. Die Tugenden richten sich nach den Anforderungen der Gegenwart und Zukunft. Die Stärke des Anderen ist das Andere. Es braucht neue Qualitäten. Und neue Allianzen. Auf dem Spielfeld. Und in der Gesellschaft. Ob unser Fußballteam Weltmeister wird oder im Achtelfinale die Luft raus ist: WIR können nichts dafür.

Anders ist es, wenn Merkel und Westerwelle es total versauen. PETER UNFRIED