Tempelhofer Bücherkisten

ZLB Zwei Siegerentwürfe für die neue Landesbibliothek – aber noch ist alles offen

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Wenn es bei einem Architekturwettbewerb keinen klaren Siegerentwurf, sondern mehrere erste Preisträger gibt, muss das nicht von Nachteil sein. Damit besteht die Chance, dass Zeit gewonnen und nachgebessert wird, wenn die Ergebnisse nicht unbedingt überzeugend sind.

Auch beim Wettbewerb für den geplanten Bau einer neuen Berliner Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) auf dem Tempelhofer Feld hat sich die Jury am Mittwoch nicht für einen, sondern für zwei Siegerentwürfe von Architekten aus Zürich beziehungsweise Stuttgart ausgesprochen. Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) und Senatsbaudirektorin Regula Lüscher lobten zwar bei der Präsentation die „wunderbaren“ Planungen. Aber Lüscher hob auch die Weiterarbeit an den Entwürfen hervor: „Es ist nichts entschieden. Die Entwürfe müssen in einem weiteren Verfahren diskutiert werden. Erst 2014 können wir sagen, was realisiert werden kann.“

In der Tat wirken die Vorschläge von Miebach Oberholzer Architekten (MOA) aus Zürich und vom Team KohlmayerOberst (Stuttgart) nicht wie der sprichwörtlich große Wurf. Ihre Bibliothek der Zukunft entwarfen MOA als rechteckigen, 120 mal 75 Meter großen Kubus – achtgeschossig, mit weitläufigem Entrée, modern – „ein Büroglaskasten, wie man ihn heute überall sieht“, so ein Architekturexperte bei dem Pressetermin.

Weite, lichte Räume

Das Innere des Bauwerks dagegen planten die Architekten als „eleganten offenen Raum“, so die Jury, der alle Bibliotheksabteilungen – Magazine, Archive, Freihandbereiche, Medien- und Lesesäle sowie das Restaurant und Veranstaltungsräume – erlebbar werden lässt. Man fühle sich an Scharouns „Stabi“ am Kulturforum und deren weite, lichte Räume und Galerien erinnert, merkte Lüscher an.

KohlmayerOberst dagegen lassen neben den Landebahnen ein Betonraumschiff landen. Ihre fünfstöckige ZLB – 260 Meter lang und 60 Meter breit – ruht auf einem Glaskörper als öffentlichem Erdgeschoss, auf dem eine weit gespannte geschlossene „Bücherkiste“ mit ihren Bibliotheksfunktionen lastet. „Es ist eine Megastruktur, die auch neben dem Flughafengebäude bestehen kann“, befand die Juryvorsitzende Jórunn Ragnarsdóttir.

Insgesamt 40 internationale Architekturbüros waren an dem zweistufigen Wettbewerb beteiligt, den das Land Berlin ausgelobt hatte. Die für den 55.000 Quadratmeter großen Neubau veranschlagten Kosten liegen bei rund 270 Millionen Euro, wie Volker Heller, Vorstand der Stiftung ZLB erinnerte. Baubeginn soll 2016 sein, die Fertigstellung der Bibliothek ist für Ende 2021 vorgesehen. Rund 4 Millionen Medien sollen in der ZLB Platz finden. Der Neubau sei Berlins „wichtigstes Kulturbauprojekt“, betonte Schmitz. Die „hochmoderne Landesbibliothek“ werde das Tempelhofer Feld zu einem „attraktiven Ort für Bildung und Kultur machen“ – ähnlich der neuen Superbibliothek in Amsterdam, die als das Medien- und Kulturzentrum des 21. Jahrhunderts gilt.

Was der Staatssekretär dabei gerne unterschlägt: Der anvisierte Neubau – ein Lieblingsprojekt des Regierenden Bürgermeisters – sowie der Standort am Tempelhofer Damm sind hoch umstritten. Gegen die geplante Bebauung des 380 Hektar großen Tempelhofer Feldes – darunter auch jene für die ZLB – haben Bürgerinitiativen ein Volksbegehren initiiert. Sollte dies im Januar 2014 erfolgreich enden, könnte per Volksentscheid über die Bebauungsfrage entschieden werden.

Ausbau in Kreuzberg?

Der Berliner Bund Deutscher Architekten (BDA) kritisiert die Zusammenlegung der beiden ZLB-Standorte (Amerika Gedenkbibliothek, AGB, und Landesbibliothek Breite Straße) am Tempelhofer Damm und fordert statt dessen den Ausbau des AGB-Geländes in Kreuzberg.

Kein Geheimnis ist auch, dass sich Wowereits Koalitionspartner CDU kaum für den Tempelhof-Standort erwärmen kann. Anja Kapek, Fraktionschefin der Berliner Grünen, hält den ZLB-Wettbewerb darum auch für eine Farce. „Es gibt bis heute kein klares politisches Bekenntnis beider Koalitionsfraktionen zu den Neubauplänen.“ Der Wettbewerb täusche über die Uneinigkeit zwischen SPD und CDU über die künftige Gestaltung des Tempelhofer Felds hinweg.