CHRISTIAN RATH ÜBER DIE DREIPROZENTHÜRDE BEI DER EUROPAWAHL
: Karlsruhe wird’s schlucken

In der Demokratie muss jede Partei die Möglichkeit haben, sich vor dem Wähler zu blamieren.“ So flapsig begründete der Vertreter der Piratenpartei seine Ablehnung der Dreiprozenthürde bei der Europawahl.

So einfach werden es sich die Verfassungsrichter aber wohl nicht machen. Sie müssen entscheiden, ob die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments ernsthaft gefährdet wäre, wenn sich die 99 deutschen Sitze auf zehn oder mehr Parteien verteilen würden. Im Europaparlament wären dann statt 162 Parteien knapp 170 Parteien vertreten.

Die Frage ist schwierig, weil es natürlich nicht nur um Demokratie geht, sondern zum Beispiel auch um verletzte Gefühle. Die Europaabgeordneten waren ernsthaft beleidigt, als das Bundesverfassungsgericht 2011 die Fünfprozenthürde für Europawahlen kippte. Ohne Sperrklausel für Kleinparteien fühlten sich die Brüsseler Abgeordneten wie ein Parlament zweiter Klasse. Immerhin verschaffte ihnen der Bundestag nun eine Dreiprozenthürde.

Man kann sich gut vorstellen, dass die Verfassungsrichter eigentlich keine Lust haben, dieses Manöver mitzumachen. Zumal führende Europapolitiker eigentlich nur mehr williges Stimmvieh für intransparente Deals zwischen Parlament, EU-Kommission und Ministerrat haben wollen.

Dennoch wird Karlsruhe wohl Kompromissbereitschaft zeigen und die neue Dreiprozentklausel schlucken. Und das ist auch in Ordnung. Wenn die Richter schon 2011 eine Absenkung der Hürde auf drei Prozent angeordnet hätten, hätte sich kein Demokratiefreund beklagt.

Tatsächlich ist die abgesenkte Hürde immer noch eine deutliche Erleichterung gegenüber der klassischen Fünfprozentsperre. Wer’s nicht glaubt, kann ja mal bei der FDP nachfragen.

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