Nacktes

Die Kunstgeschichte ist manchmal auch eine Skandalgeschichte, die man im Prado in Madrid zum Beispiel im Blick hat mit zwei Bildern von Francisco de Goya. Sie hängen nebeneinander. Das linke ist eher unspektakulär. Man sieht eine auf einem Kissen ruhende Frau. Sie ist bekleidet: „Die bekleidete Maja“. Auf dem zweiten Bild wartet wieder die gleiche Frau in genau der gleichen Pose, nur dass „Die nackte Maja“ eben nichts anhat, was Goya im Jahr 1815 eine Vorladung vor die Spanische Inquisition bescherte, die herausfinden wollte, wer ihn veranlasst hatte, dieses „obszöne“ Bild zu malen. Von manchen Kunstgeschichtlern wird „Die nackte Maja“ als erste Darstellung in der westlichen Kunst von Schambehaarung gesehen, über die sich heutzutage schon deswegen niemand mehr aufregen könnte, weil es sie gar nicht mehr gibt. Auch Haarmoden ändern sich mit der Zeit. Was mit das Thema ist einer Podiumsdiskussion heute Abend in der Straßburger Straße 6–9, in der es um veränderte Werte in Kunst, Religion und den Medien geht und dem damit einhergehenden Wandel von der Rolle des Nackigen, das als Provokationsmittel nicht mehr so recht taugt: „Der Verlust des Interesses am Nacktsein“. Die Diskussion findet im Rahmen der Ausstellung „Nackt“ statt, der Abschlussausstellung der Fotografieklasse des Lette Vereins. TM

■ „Der Verlust des Interesses am Nacktsein“: Straßburger Straße 6–9. Mittwoch, 20 Uhr. „Nackt“-Ausstellung bis 27. Juni, 14–21 Uhr