WM gucken mit
: … falschen Ukrainern in Hamburg

Manchmal fragt man sich: Hätte das alles sein müssen? Staatszerfall und Sezessionskriege, Operettendemokratien und korrupte Oligarchien? Russen gegen Ukrainer und ukrainische Ukrainer gegen russische Ukrainer?

Schon vor ein paar Wochen beim Eurovision Song Contest wurde deutlich: Die Völker des Ostens sind einander in bisweilen schwer nachvollziehbarer Loyalität ergeben, um nicht zu sagen: in Liebe. Das ist bei der Fußballweltmeisterschaft nicht anders. Umfragen zufolge sollen fünf bis sieben Prozent aller Russen davon überzeugt sein, dass Russland Weltmeister wird. Dass Russland sich überhaupt nicht qualifiziert hat – was macht das schon. Sie haben ja die Ukraine!

Vor dem Spiel gegen Spanien führt auf dem Hamburger Heiligengeistfeld eine Tanzgruppe namens „Koletschko“ ukrainische Tänze auf. „Wir kommen aus Russland, aus Kasachstan – von überall her“, sagt die Leiterin hinterher. Nun, von fast überall: Eine Ukrainerin haben sie nicht dabei. Immerhin, der Wirt der improvisierten ukrainischen Kneipe auf dem Boulevard der Nationen ist ein waschechter Ukrainer, extra aus Kiew gekommen. Und die Bedienung trägt das obligatorische gelb-blaue Trikot von Superstar Andriy Shevchenko mit original ukrainischen Lettern.

Denkste! „Das ist auf russisch“, sagt Konstantin, „auf ukrainisch sieht es noch ein wenig anders aus.“ Er stammt aus dem sibirischen Omsk und hat die Ukrainer vor der Großleinwand eine Halbzeit lang frenetisch angefeuert, auch als sie schon mit 0:2 hinten lagen. „Wir gehören eben einfach zusammen“, sagt er. „Schreib’ einfach, alle Sowjetvölker unterstützen die Ukraine.“ Sein Äußeres erinnert an die alte Zeit, an die er kaum eigene Erinnerungen haben dürfte: Schiebermütze, CCCP-T-Shirt und eine sowjetische Fahne um die Hüften geschlungen. Gerade hat er seine Abiturprüfung in Spanisch gemacht, was ihm jetzt zu Gute kommt: „Hijos de puta“, Hurensöhne, ruft er den Spaniern lachend zu, aber die lachen mit der sicheren Führung im Rücken zurück. Beim 0:3 scherzt Konstantin: „Jetzt kaufe ich mir eine spanische Fahne.“ Aber er wedelt lieber weiter mit dem blau-gelben Tuch, bis es vom Stöckchen fliegt.

In der russischen Community sind Sketch-Wettkämpfe sehr beliebt, Konstantin hat dort reichlich Bühnenerfahrung gesammelt. Als er beim Stand von 0:4 grölt: „Jungs, nach vorne, die Ukraine wartet auf den Sieg“, fällt auch sein eher ruhiger Kumpel Semjon mit ein. Er kommt aus Odessa – doch noch ein echter Ukrainer. Jan Kahlcke