Razzien in Bagdad

Seit gestern ist in der irakischen Hauptstadt ein neuer Sicherheitsplan in Kraft. US-Präsident Bush stützt Regierungschef al-Maliki mit Blitzbesuch

Die Terroristen werden nach dem Tod al-Sarkawis die Eskalation suchen

VON KARIM EL-GAWHARY

Die irakische Regierung versucht, die positive Dynamik der letzten Tage weiter in Schwung zu halten. Nach dem Tod des Al-Qaida-Chefs im Irak, Abu Mussab al-Sarkawi, und der überfälligen Vervollständigung des Kabinetts will Ministerpräsident Nuri al-Maliki nun mit einem neuen Sicherheitsplan der desolaten Sicherheitslage in der Hauptstadt Bagdad Herr werden. „Keine Gnade“ drohte er den dortigen Aufständischen an.

Seit gestern wurden zusätzliche Straßensperren eingerichtet. Es gilt eine nächtliche Ausgangssperre. An der Operation mit dem Namen „Gemeinsam schreiten wir voran“ sollen zwei irakische Militärdivisionen mit ungefähr 20.000 Mann, 50.000 irakische Polizisten und eine unbekannte Zahl von US-Truppen beteiligt sein. Geplant sind Razzien vor allem in Vierteln, die als Hochburgen der Aufständischen gelten. Es ist die größte Militäroperation, seit die Amerikaner im Juni 2004 die Verwaltung den Irakern übergeben haben.

„Die Terroristen können sich dieser Übermacht nicht stellen“, glaubt der irakische Brigadekommandant Dschalil Khalaf. Generalmajor Mahdi al-Gharrawi vom Innenministerium befürchtet dagegen zunächst ein Aufflammen der Zusammenstöße vor allem in den sunnitischen Wohngegenden. „Die Terroristen werden eine Woche nach dem Tod al-Sarkawis die Eskalation suchen“, prophezeit er. Andere befürchten, dass gerade die neuen Straßensperren zum Ziel von Attentätern werden könnten.

Zumindest gestern schien alles beim Alten. Bei der Explosion zweier Autobomben starben in Bagdad zwei Menschen, sieben wurden verletzt. Im sunnitischen Viertel Adhamia kam es zu einer halbstündigen Schießerei zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften, bei der niemand verletzt worden sein soll.

Doch wenn sich die Aufständischen an ihre bisherige Taktik halten, werden sie ihre Aktivitäten außerhalb der Hauptstadt verstärken. Bisher sind sie nach Guerillataktik jeder Offensive ihres Gegners ausgewichen und haben sich anderswo neu gruppiert. Dennoch könnte eine temporär „befriedete Hauptstadt“, zusammen mit dem Tod al-Sarkawis und einer jetzt aktionsfähigen irakischen Regierung zumindest einen psychologischen Wendepunkt darstellen.

Schützenhilfe erhielt der irakische Regierungschef bereits am Dienstagabend von US-Präsident George W. Bush, der zu einem fast sechsstündigen Überraschungsbesuch in der Grünen Zone in Bagdad eintraf. „Die Beschlüsse des neuen Kabinetts werden entscheidend sein, ob das Land sich selbst regieren und verteidigen kann“, ließ Bush gegenüber al-Maliki verlauten. Später auf dem Heimflug in der „Air Force One“ erklärte der US-Präsident, dass die irakische Regierung es unmöglich alleine schaffen könne, die Gewalt unter Kontrolle zu bringen. Er habe al-Maliki zugesichert, dass die USA ihre Soldaten aus dem Irak nicht abziehen, bevor das Land selbst für seine Sicherheit sorgen könne. Ein Kriterium, das von der irakischen Regierung allerdings erfüllt werden könne, sei jedoch der Aufbau von Vertrauen in der Bevölkerung, meinte Bush.

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