Billige Arbeit

Die deutschen Arbeitskosten liegen im europäischen Mittelfeld, wie neueste Messdaten von Eurostat zeigen

BERLIN taz ■ Die Arbeitskosten in Deutschland liegen im Vergleich zu anderen Ländern der Eurozone im Mittelfeld. Das zeigt eine neue Studie vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), die gestern in Berlin vorgestellt wurde.

Das Ergebnis widerspricht der These einiger Ökonomen, dass überhöhte Arbeitskosten die Hauptursache für die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland seien. „Eine deutsche Spitzenstellung bei den Arbeitskosten ist nicht zu erkennen“, sagte IMK-Direktor Gustav Horn. Deshalb würden die Arbeitskosten auch keine Wettbewerbsprobleme verursachen. Die IMK-Forscher nutzen für ihre Studie den neuen Arbeitskostenindex der europäischen Statistikbehörde Eurostat. Erstmals werden dort alle Arbeitskosten in der Privatwirtschaft erfasst. Bislang wurden nur die Arbeitskosten für Arbeiter berücksichtigt. Nun werden auch die Löhne für Angestellte gemessen. Der Arbeitskostenindex berücksichtigt auch Sozialabgaben, Steuern und die Jahresarbeitszeit.

„Am meisten hat uns die große Lohnspreizung in Deutschland überrascht“, sagte Gustav Horn. Während in der Industrie die Arbeitsstunde mit 29,90 Euro ähnlich teuer ist wie in Frankreich, Dänemark und Schweden, liegen die Löhne für Dienstleistungen mit 24,10 Euro deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. „Dienstleistungen werden stärker durch die Binnennachfrage bestimmt als die Löhne in der Industrie“, sagte Horn. Industrielöhne würden vom Export-Boom profitieren. In den Dienstleistungsbranchen aber seien höhere Löhne wegen der schwachen Binnennachfrage nicht durchsetzbar.

Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat im Januar in einer Studie die deutschen Arbeitskosten weniger optimistisch eingeschätzt. Danach ist Deutschland für das verarbeitende Gewerbe nach Dänemark der zweitteuerste Standort in der Eurozone – allerdings wurden die neuen Eurostat-Daten noch nicht berücksichtigt. Dennoch bleibt das IW bei seiner Auffassung: „Das Lohnniveau in der deutschen Industrie ist immer noch Spitze“, sagte Christoph Schröder, Autor der IW-Studie, zur taz. Gustav Horn widerspricht: „Hohe Löhne im verarbeitenden Gewerbe sind für Unternehmen in Deutschland kein Problem, weil sie dafür eine hohe Produktivität bekommen.“ Das IW setzt auf weitere Lohnsenkungen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Gustav Horn hält das für falsch: „Löhne sind nicht nur Kosten, sondern auch Nachfrage.“ TARIK AHMIA

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