„Großer Diskussionspunkt“

BÜRGERSCHAFT Ein Vortrag widmet sich Deutschlands Umgang mit seinen Parlamentsbauten

■ 59, ist Sprecher der Bremischen Bürgerschaft und Büroleiter des Bürgerschafts-Präsidenten.

taz: Herr Monsees, heute vor 70 Jahren wurde die Bürgerschaft im Börsengebäude am Marktplatz durch einen Bombenangriff zerstört. Die heutige Bürgerschaft wurde erst 1966 eingeweiht – was geschah zwischen 1945 und 1966?

Horst Monsees: Das Parlament hat damals sowohl in angemieteten Räumen des noch intakten Gebäudetraktes getagt als auch im Rathaus. Als die Börse 1955 abgerissen und an die Stadt verkauft wurde, wollte sich die Bürgerschaft ein neues Haus bauen.

Warum hat sie sich nicht ganz im Rathaus angesiedelt?

Das war in der Tat ein großer Diskussionspunkt in Bremen, denn das Rathaus macht natürlich viel mehr her als ein Neubau. In Hamburg sitzt die Bürgerschaft ja auch im Rathaus. Aber in Bremen war man sich schnell einig, dass die Legislative unabhängig untergebracht werden sollte.

Und dann kamen die Diskussionen über die Gestaltung des Hauses ...

... und wie! Zwei Architekten-Wettbewerbe wurden ausgeschrieben, bis dann 1961 Wassili Luckhard den Zuschlag bekam. Er wolle einen kubistischen Kasten mit ganz viel Glas bauen. Das war ja die Zeit, als Politik transparenter gemacht werden sollte, und das wollte er zum Ausdruck bringen. Zumindest dieser Part ist ja dann auch so gebaut worden: Eine große Glasfront mit offenem Eingang zum Marktplatz, eine Lobby, die nur aus Licht besteht.

Und der Rest?

Nun ja, in einer großen Umfrage im Weser-Kurier sprach sich die Bevölkerung klar gegen den Entwurf aus. Und der wurde dann auch Wahlkampfthema: Die CDU hat damals versprochen, dass sie die Baupläne rückgängig macht, sollte sie an die Macht kommen. Aber die Bürgerschaft wurde gebaut, allerdings mit kleinen „Kompromiss-Giebeln“, damit sich das Haus besser ins Marktplatz-Ensemble einfügt.

Aber bis heute gibt es viele Stimmen, die sagen, das Haus der Bürgerschaft sei hässlich ...

Ach, wissen Sie, viele Leute machen sich ja auch nicht bewusst, dass zum Beispiel der Schütting 1944 auch komplett abgebrannt ist – und sein Nachbau nur zum Teil originalgetreu.  Interview: SCHN

17.30 Uhr, Festsaal der Bürgerschaft