Umweltschützer in Sorge wegen Gentech-Klage

AGRAR Sachsen-Anhalts Regierung zieht vor das Verfassungsgericht. Verhandlung am Mittwoch

„Ein Angriff auf die Wahlfreiheit der Verbraucher“

PETER RÖHRIG, BÖLW

BERLIN taz | Eine Verfassungsklage Sachsen-Anhalts bedroht nach Meinung von kritischen Bauern und Imkern die Freiheit der Verbraucher, sich für Lebensmittel ohne gentechnisch veränderte Pflanzen zu entscheiden. Davor haben am Mittwoch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sowie die Imkervereine DBIB und Mellifera in Berlin gewarnt.

Das von CDU und SPD regierte Sachsen-Anhalt klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gentechnik-Gesetz. Das Land hält vor allem den Grundsatz für verfassungswidrig, dass Landwirte dafür haften, wenn etwa gentechnisch veränderter Mais Felder in ihrer Nachbarschaft verunreinigt. Das gilt selbst dann, wenn sie die Sicherheitsvorschriften wie Mindestabstände zu benachbarten Äckern eingehalten haben. Die Regierung sieht deshalb die Berufsfreiheit von Gentech-Bauern und -Forschern verletzt.

Zudem verstößt das Gentechnik-Gesetz der Klage zufolge auch gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und den Schutz des Eigentums. Grund ist, dass die Landwirte sich in ein teilweise öffentliches Standortregister eintragen lassen müssen, wenn sie Genpflanzen anbauen. Sachsen-Anhalt, wo zahlreiche Gentechnik-Unternehmen ansässig sind, argumentiert, dass auch Feldzerstörer diese Daten nutzten.

Über die Klage will das Gericht am kommenden Mittwoch in Karlsruhe verhandeln. Zwei bis vier Monate später dürfte es entscheiden. Deshalb wollen die Gentechnik-Gegner jetzt die Öffentlichkeit mobilisieren, um „den Angriff auf die Wahlfreiheit der Verbraucher“, wie es BÖLW-Experte Peter Röhrig formulierte, abzuwehren. Ihr wichtigstes Argument: Wenn Sachsen-Anhalt sich durchsetzt, könnten bald Gentech-Pflanzen im großen Stil konventionelle Lebensmittel verunreinigen. Schließlich hätten Gentech-Landwirte kein Interesse mehr, Kontaminationen zu verhindern, wenn sie dafür nicht mehr haften müssten. Das Standortregister benötigten besonders Biobauern und Imker, um sich vor Verunreinigungen zu schützen.

Die Rechtsanwältin der Verbände, Katrin Brockmann, hält die Beeinträchtigungen der Gentechnik-Industrie durch das Gesetz auch für nicht so groß wie behauptet. Bisher seien Bauern kaum auf Schadenersatz verklagt worden. Und trotz Standortregister seien zwischen 1999 und 2004 nur 12 Prozent aller Freisetzungsversuche mit transgenen Pflanzen ohne Ergebnis geblieben. JOST MAURIN