Roboter üben für die Zukunft

Beim „Robocup 2006“ in Bremen geht es nur vordergründig um Fußball. Zwischen den Strafräumen lassen sich selbstständig agierende Maschinen ideal perfektionieren

Von Jens Fischer

Bei der Roboter-Fußball-Weltmeisterschaft „Robocup 2006“ in Bremen verwenden Studenten, Doktoren und Professoren ihr Robotik-Wissen darauf, Ronaldinho-Maschinen gegen Ballack-Maschinen antreten zu lassen. Das ist kein Freizeitjux mit ferngesteuerten Kickern, sondern spielerisches Ausprobieren neuer Hard- und Software, mit der Maschinen selbstständig ihre Position auf dem Spielfeld bestimmen, die Mitspieler orten, den Ball verfolgen, eine Taktik wählen können – also Fähigkeiten zeigen, die beim Menschen das Unterbewusstsein steuert. Das sei der Trend der aktuellen Forschung, sagt Robocup-Organisator Ubbo Visser – also das, was von der EU und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gerade schwerpunktmäßig gefördert werde.

Als der Computer Deep Blue 1997 den Weltmeister Garri Kasparow besiegte, glaubten die akademischen Tüftler, Schach sei besser geeignet, um künstliche Intelligenz zu testen. Doch der Rechner hatte viel Zeit für jeweils eine einzige Lösung pro Zug. „Fußball hingegen ist ein Spiel, das Reaktionen in Echtzeit erfordert, ein Spiel in Teams, die ihre Strategien untereinander absprechen müssen“, sagt Visser. „Ein Spiel mit einem nicht kalkulierbaren Gegner, eine Gemengelage wie im menschlichen Alltag. Unglaublich komplex, unglaublich herausfordernd.“ Das Problem: Er arbeitet mit Algorithmen, methodischen Rechenverfahren, die trotz immer schnellerer Datenverarbeitung eine Sekunde Rechenzeit benötigten. Im Fußball dagegen muss man in wenigen Millisekunden zu einer Handlung kommen.

Bis 2050 soll es Humanoiden geben, die gegen den Fußballweltmeister der Homo sapiens sapiens nach Fifa-Regeln gewinnen. Visser ist 41 Jahre alt – und will das noch erleben. Der Privatdozent für Künstliche Intelligenz im Technologie-Zentrum Informatik der Universität Bremen ist beim Robocup mit zwei Teams und allen seinen 40 Studenten am Start: Als „B-Smart“ treten sie in der Liga der rollenden Miniroboter an, als „Bremen Biters“ gegen andere selbst programmierte Sony-Spielzeughündchen vom Typ „Aibo“.

Eine mögliche Anwendung der Forschungsergebnisse ist der Straßenverkehr: Robocup-Kicker wie Autofahrer müssen rasend schnell reagieren. „In zehn Jahren“, so Visser, „könnten Roboter in jedem Auto installiert werden, die sich miteinander kommunizierend vernetzen – und Warnsignale geben. Beispielsweise: Mein Fahrer hat eine hohe Pulsfrequenz, Schweiß an den Händen, er wird wohl gleich auf die Überholspur ziehen.“ Die Bremer haben den autonomen Rollstuhl „Rolland“ entwickelt, der etwa bei der Fahrt durch Türen darauf achtet, Mindestabstände zur Zarge einzuhalten.

Wie Computer intelligent werden? „Wir versuchen, ihnen generelle Verhaltensregeln beizubringen“, sagt Visser. Wie einem Kind, das lernt, die Straße zu überqueren. 500 Mal sind die Eltern dabei, passen auf, erklären, dann steht das Kind allein vor der Aufgabe, und die ist garantiert anders als alle 500 zuvor geübten Situationen. Der Weg, die Geräusche, die Fahrzeuge, das Licht, der Vogel gegenüber auf dem Baum. Das Kind muss gelernt haben, sich also nur auf die Autos zu konzentrieren, alles andere auszublenden. Genauso wie der Roboter alles Unwichtige aus dem Bild herausrechnen muss, das er 30 Mal pro Sekunde von seiner Umgebung macht und Pixel für Pixel mit Verfahren der Mustererkennung analysiert: Wo ist der Ball, wo der Gegner, wo das Tor, wie bekommt mein Team den Ball dort am ehesten hinein, und was habe ich dafür zu tun?

Der menschliche Kicker hat Erfahrungswissen, ob er nun foulen, dribbeln, den Steilpass wagen soll. Den Robocup-Kickern müssen diese Basisfunktionen implantiert werden. Das geht schon damit los, den besten Weg zum Ball zu finden. Ein naiver Roboter sieht den Ball und rennt ihm hinterher, ein intelligenter Roboter berechnet die Geschwindigkeit, den Reibungswiderstand, die Richtung der Ballbewegung und den idealen Punkt voraus, an dem er die Kugel erreichen, stoppen, schießen kann. Visser: „Der Roboter muss auch aufgrund von Spielstand und Spielsituation entscheiden und mit den Roboterkollegen absprechen können, was jetzt realisiert werden soll.“ Fallrückzieher gehören schon längst zum Programm – sogar in der Robo-Hunde-Liga. Dort holten im vergangenen Jahr Computerspezialisten aus Berlin, Bremen, Dortmund und Darmstadt den Weltmeistertitel nach Deutschland. Visser: „An der Software dafür arbeiten 50 Menschen seit fünf Jahren.“ Ziel ist es, Abläufe zu beschleunigen. Die deutschen Roboterhunde wurden nur deshalb Weltmeister, weil sie meist schneller am Ball waren als die Gegner und Situationen schneller erfassen konnten. Visser: „Für die Verortung der Roboter im Raum setzen wir auf eine Methode aus der künstlichen Intelligenz, die Hypothesen von hoher Wahrscheinlichkeit bildet, wo auf dem Spielfeld man sich befindet. Das dauert momentan zwei Millisekunden, da sind wir weltweit ganz vorn in der Forschung.“