Die Welt zu Gast bei Freundinnen

„Ach du Schande“, sagen Parteifreunde: Wie glaubhaft ist Christian Wulff, fragen sich viele in der eigenen CDU-Fraktion, nachdem der Ministerpräsident ihnen eine faustdicke Lüge aufgetischt hat

Für Christian Wulff (46) ist es die Zeit der Krokodilstränen und Schmetterlinge im Bauch. Mit Unbehagen war in strukturkonservativen Teilen der CDU registriert worden, dass der niedersächsische Ministerpräsident sich nach 18 Jahren Ehe von seiner Frau Christiane trennt. Das Drehbuch hatte vorgesehen, dass die bevorstehende Scheidung umgehend „aufgelöst“ wird, damit das Bild des Umfragekönigs nicht durch Spekulationen Schaden nimmt. So wurde am Dienstag nach Pfingsten nicht nur die zerbrochene Ehe durch ausgewählte Medien kommuniziert, sondern gleich die neue Freundin präsentiert: Bettina Körner, 32-jährige Pressereferentin bei Continental. Wulffs Leibfotograf hatte die veröffentlichten Bilder Körners „zufällig“ Wochen vorher geschossen – angeblich „Bewerbungsfotos“.

Als ganz starken Tobak werten selbst hart gesottene Parteifreunde Wulffs Auftritt in der Fraktion am vergangenen Dienstag: „Jeder Tag, an dem kein gemeinsames Bild von mir und meiner Lebensgefährtin in der Zeitung ist, ist ein guter Tag für meine Familie“, soll Wulff laut mehreren Quellen den Abgeordneten versichert haben. Vor allem der Boulevard, der in der vergangenen Woche täglich neue Details über den liebestollen MP enthüllte, wollte möglichst bald das „1. gemeinsame Foto“ des Bill Clinton aus Hannover und seiner neuen Flamme im Blatt haben. „Wulff zeigt seine neue Liebe“, titelte gestern Bild, weil sich der einen Tag nach seinem Auftritt in der Fraktion zusammen mit etwa 20.000 Fußballfans, Frau Körner und etlichen Fotografen auf dem Waterlooplatz gezeigt hatte. Angeblich, um das Spiel Deutschland gegen Polen zu schauen, tatsächlich aber, um dem Versteckspiel mit der neuen „First Lady“ ein Ende zu bereiten. Das Paar beendete das Fotoshooting vor dem Anpfiff und empfahl sich. „Das ist seine Privatsache“, sagt Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker.

Einige Parteifreunde widersprechen. Als „Vertrauensbruch“ und „Schlag ins Genick“ sehen viele den Auftritt in der Partei, der Glaube an Wulff ist lädiert. „Ach du Schande“, sagt ein CDU-Abgeordneter und bemerkt, dass die neue Liebe „die Glaubwürdigkeit Wulffs bei den 100-prozentigen CDU-Wählern sowieso angekratzt hat“. Teile der Opposition freuen sich diebisch darauf, die Wulff‘sche Seifenoper in der kommenden Woche im Landtag zu erwähnen. Wegen des Auftritts in der Fraktion wollen ihm nun auch CDU-Leute ins Gewissen reden. KAI SCHÖNEBERG