Große Koalition verhindert Senkung des Rentenbeitrags

BUNDESTAG SPD und CDU beschließen ein Gesetz, ohne das dafür übliche Verfahren einzuhalten

BERLIN taz | In aller Eile hat die schwarz-rote Koalition am Donnerstag eine Hürde für ihre geplanten Rentenreformen aus dem Weg geräumt. Der Bundestag beschloss, den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) bei 18,9 Prozent einzufrieren.

Eigentlich hätte der Beitragssatz ab 2014 auf 18,3 Prozent automatisch sinken müssen, weil die Reserve in der Rentenkasse bei rund 31 Milliarden Euro liegt. Damit übersteigt sie das anderthalbfache einer Monatsausgabe. In solchen Fällen war bisher eine Senkung der Beitragssätze zwingend vorgeschrieben.

Diese Vorschrift hat die Koalition nun ausgehebelt, um rund 7,5 Milliarden Euro in der Rentenkasse zu halten. Denn ab dem nächsten Jahr stehen teure Reformen wie die Angleichung der Mütterrenten, der abschlagsfreie Rentenzugang für langjährig Versicherte, eine Mindestrente für Geringverdiener und verbesserte Anrechnungszeiten für Erwerbsgeminderte an. Allein die Besserstellung von Müttern, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, wird sich bis 2030 auf rund 130 Milliarden Euro summieren.

Die Opposition attackierte den Beschluss von CDU und SPD scharf. Auf Kritik stieß dabei nicht nur, dass ein Großteil der Reformen aus Beitragsmitteln finanziert werden soll, sondern auch das Vorgehen. So wird das Gesetz zum Einfrieren der Beitragssätze am Freitag im Bundesanzeiger veröffentlicht und soll zum 1. Januar 2014 in Kraft treten. Der Bundesrat kann es aber erst in seiner Sitzung am 14. Februar verabschieden. „Das ist mitnichten ein geordnetes Verfahren“, sagte die grüne Vizefraktionschefin Kerstin Andreae. Der Linken-Abgeordnete Matthias W. Birkwald warf der Koalition vor, zu „tricksen“. Auch die Arbeitgeberverbände protestierten. Das Vorgehen sei „verfassungsrechtlich zweifelhaft“.

Die neue Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat bereits angekündigt, dass die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren ab Mitte 2014 gelten soll. Für diese Rente sind 45 Beitragsjahre in der GRV nötig. Unklar ist noch, wie viele Jahre der Arbeitslosigkeit angerechnet werden. In den Koalitionsverhandlungen war von maximal fünf Jahren die Rede. Diese Angabe findet sich jedoch nicht mehr im Koalitionsvertrag.

Bundestag und Bundesrat beschlossen am Donnerstag zudem, die Preise für patentgeschützte Medikamente weiterhin zu deckeln. So sollen Krankenkassen und Beitragszahler vor Mehrkosten in Höhe von rund einer halbe Milliarde Euro bewahrt werden. Das Preismoratorium wäre ursprünglich Ende des Jahres ausgelaufen. Weil auch die Grünen und die Linkspartei für seine Verlängerung stimmten, konnte es nun im Eilverfahren bis März verlängert werden. EVA VÖLPEL