Der Streit um den Walfang leidet am Dogmatismus beider Seiten
: Die Symbolkraft der Wale

Bei der Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission (IWC), die heute beginnt, werden die Gegner des Walfangs womöglich erstmals seit drei Jahrzehnten in der Minderheit sein. Mit der gleichen Strategie, mit der die Gegner in diesem Gremium einst die Mehrheit errangen, haben die Walfangnationen nun, mit Japan an der Spitze, in jahrelanger Arbeit die Mehrheiten wieder umgedreht.

Die Energie, die beide Seiten seit Jahren auf diesen Ringkampf verwenden, ist nur ein Ausdruck dafür, wie festgefahren die Positionen sind: Für manche Tierschützer tragen die Wale fast menschliche Züge: Sie können sprechen und singen, gehen Beziehungen ein, haben Familie und gegenseitige Kinderbetreuung. Für die anderen sind es „Kakerlaken der Meere“ – das größte lebende Raubtier, ein hinterhältiger Jäger, verschlagen und boshaft.

Die starke Symbolkraft der Wale mag erklären, warum es beiden Seiten gerade bei diesem Tier so schwer fällt, sich auf einer rationalen Basis zu verständigen. Zum Beispiel: Hier ist eine Spezies, von welcher der Mensch in seiner Profitgier einige Arten bereits vollständig ausgerottet hat. Die überlebenden Arten müssen wir schützen. Aber die Wale sind auch eine Naturressource. Was spricht also dagegen, ein Kontingent als Nahrungsquelle innerhalb streng kontrollierter Grenzen zu jagen?

Dabei wäre der Walfang ohne staatliche Subventionen weltweit wohl schon weitgehend ausgestorben. Wer erinnert sich heute noch daran, dass Deutschland einmal eine führende Walfangnation war? Wo kein Markt, da kein Fang. Doch nicht zuletzt der vermeintliche Kampf gegen den „Kulturimperialismus“ der Walfanggegner lässt die Regierungen der verbliebenen Walfangnationen weiterhin bereitwillig Subventionen ausspucken. Was aber, wenn dieses Argument entfällt? Dann könnte man sich konkret auf Fangquoten, Schutzgebiete und Jagdmethoden einigen. Auch auf Seiten der Umweltschützer wäre deshalb weniger Dogmatismus hilfreich, um sich auf die eigentlichen Gefahren zu konzentrieren, die die Existenz der Wale bedrohen: die Verschmutzung der Meere und der Klimawandel. REINHARD WOLFF