Irans Präsident besucht Gipfel in China

Die Schanghaier Kooperationsorganisation SCO will ihre Zusammenarbeit verstärken. Für die Regierung in Peking ist sie eine Alternative zu den vom Westen dominierten internationalen Organisationen. Weitere Staaten möchten aufgenommen werden

AUS PEKING GEORG BLUME

Seine Rede wurde sogar im Staatsfernsehen ausgestrahlt. Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad konnte mit seinem gestrigen Empfang in Schanghai zufrieden sein. Offiziell war er nur als Beobachter des Gipfels der Schanghaier Kooperationsorganisation (SCO) nach China geladen. Doch aufgrund des internationalen Atomstreits um Iran stand Ahmadinedschad im Vordergrund des Treffens der Sechs-Länder-Gruppe, der neben China und Russland die zentralasiatischen Staaten Kirgisien, Tadschikistan, Kasachstan und Usbekistan angehören.

Für Irans Präsident bot die SCO eine willkommene Bühne: Autokraten unter sich, unter denen Russlands Präsident Wladimir Putin wie ein Demokrat wirkte. So trat Ahmadinedschad in Schanghai leise auf, verschonte die Gastgeber mit seiner gewohnten USA-Schelte und beschränkte sich auf eine nebulöse Kritik „vorherrschender Mächte“. Putin und Chinas Partei- und Staatschef Hu Jintao wollten mit Ahmadinedschad zwar am Rande über das „Anreizpaket“ der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschlands zur Beilegung der Atomkrise sprechen. Doch offiziell fand das Thema Atom in Schanghai nicht statt.

Das ist typisch für die fünf Jahre alte SCO. Die Chinesen sehen in ihr eine multilaterale Alternative zu den vom Westen geprägten internationalen Organisationen. Der Andrang ist groß: Neben dem Iran wollen auch Pakistan, Indien und die Mongolei, die bisher Beobachterstatus haben, Mitglieder werden. In Schanghai dominierte die Energiepolitik die meisten Gespräche. Nächstes Jahr soll es gemeinsame Manöver geben. Auch nahm die Organisation den umstrittenen usbekischen Präsidenten Islam Karimow nach dem Andidschan-Massaker im letzten Jahr in Schutz. Und jetzt tut man so, als sei die westliche Aufregung um den Iran übertrieben.

Ob sich das alles zu einer gemeinsamen Politik addiert, ist fraglich. Chinas Hu forderte gestern „rechtzeitig Maßnahmen abzustimmen, um mit größeren internationalen Fragen umzugehen“. Doch genau das wagt die SCO bisher nicht. Sie schweigt nicht nur zur Iranfrage, sondern packt auch andere regionale Streitfragen wie Nordkorea oder die Asienpolitik der USA nicht an. Einerseits divergieren die Interessen. So unterhalten Kirgistan und Kasachstan weiterhin enge militärischen Beziehungen zu den USA. Andererseits befindet sich die SCO noch im Aufbau. China und Russland sind sich nicht sicher, inwieweit sie sich auf die repressiven Regime Zentralasiens verlassen können. Noch bleibt der Multilateralismus chinesischer Prägung undefiniert, weil sich die Pekinger Außenpolitik maßgeblich an den USA orientiert. Und doch ist die SCO keine Totgeburt: China, Russland, Indien und Iran an einem Tisch – auch bei Palaver wie jetzt in Schanghai formiert sich die Welt neu.