DAS DING, DAS KOMMT
: Gar nicht niedlich

DIE PUPPEN von Suse Wächter sind erschreckend lebendige Karikaturen. Diese Woche singt Gott an einem Abend im Hamburger Schauspielhaus Karaoke

Niedlich ist an diesen Puppen gar nichts. Es sind erschreckende Karikaturen, albtraumhafte Masken

Angefangen hat alles kurz nach der Wende in der Schauspielhochschule Ernst Busch in Berlin. Da wusste Suse Wächter schon, dass sie keine Schauspielerin werden wollte – zu viel von sich selbst muss man da zeigen. Stattdessen hat sie sich als Puppenspielerin beworden. Aber Puppentheater, das ist für Suse Wächter alles andere als Kinderkram oder Bühnen-Trash. Ihr Vorbild ist der Mythos vom Pygmalion aus Homers Odyssee: Jener Bildhauer, der sich eine Frau erschafft und sie durch seine Liebe und sein Flehen an die Götter lebendig macht.

In ihrer Wohnung im Prenzlauer Berg lebt sie mit rund 100 ihrer Puppen zusammen, für die anderen 150 ist dort kein Platz mehr, untergekommen sind sie in zahllosen Kellern. Keine steifen Holzmarionetten mit Nussknacker-Ästhetik wie in der Augsburger Puppenkiste sind das, sondern weiche und biegsame Wesen aus Latex, Schaumgummi, Stoff und Menschenhaar. Bevor sie mit dem Bauen beginnt, macht Suse Wächter anatomische Studien, versucht, die Konsistenz des Körpers nachzuempfinden. Ihre Puppen haben Sehnen und Muskeln, Fleisch und Haut. Und es sind Wesen, die ständig umgearbeitet werden. Der rauschebärtige Gott zum Beispiel, das war einmal Karl Marx. Und die dicke Diva aus ihrem Stück „Helden der Oper“ steckte einst im Batman-Kostüm. Niedlich ist an diesen Puppen gar nichts. Es sind nicht selten erschreckende Karikaturen, albtraumhafte Masken.

Die 44-Jährige ist die einzige Puppenspielerin, die regelmäßig auf den großen Bühnen zu sehen ist, am Turm in Frankfurt, an der Berliner Volksbühne, am Thalia Theater und am Schauspielhaus in Hamburg. Ein paar ihrer Puppen waren schon bei den Salzburger Festspielen.

Im Malersaal des Schauspielhauses in Hamburg sind eine Reihe von Wächters Puppen am Montagabend zu sehen. „Zwiegespräche mit Gott“, heißt der erste Teil des Abend. Konzipiert hat ihn die Puppenspielerin Veronika Thieme bereits 2009 auf der Grundlage der gleichnamigen Kurzgeschichten-Sammlung des Schriftstellers Arne Seidel alias Ahne. Dafür gab es den Rudolf-von-Ems-Preis des österreichischen Puppen-, Pointen- und Poesie-Festivals Homunculus. Im Anschluss laden Suse Wächter, ihr Puppenensemble und Tina Hagemann zur „Karaoke mit Gott“.  ROBERT MATTHIES

■ Mo, 23. 12., 20 Uhr, Malersaal im Hamburger Schauspielhaus; weitere Termine: 4. 1. und 19. 1.