DAS GELD FÜR CHARITY: Hartz Angels
„Aus dem Weg!“, brüllt der Hüne und schiebt sich an mir vorbei. Ich bin auf einer zwielichtigen Veranstaltung, die Kutte, die der Grobian trägt, weist ihn jedoch nicht als Höllenengel oder dergleichen aus. In Verbindung mit seinem klapprigen Moped sieht das ganze eher nach Hartz Angels aus. Trotzdem macht man Platz, die Körpergröße imponiert eben und die Stimmung ist bereits gereizt genug.
Es gibt Stripperinnen und jede Menge Alkohol, und ich frage mich noch, welchem unglücklichen Umstand ich diese Einladung eigentlich zu verdanken habe, als ich bereits herzlich empfangen werde. Jetzt fällt es mir wieder ein, es war eine von diesen Bekanntschaften, die als Einzelperson betrachtet relativ vernünftig und sympathisch erscheinen, in der Gruppe jedoch seltsame Verhaltensweisen an den Tag legen. Aber jetzt bin ich schon mal hier und kann kurz Hallo sagen. Außerdem weiß man ja nie, ob man nicht vielleicht mal einen Berufsschläger braucht.
Als eine Dame mit Tombola-Losen vorbeikommt, fragt mein Gastgeber nach dem Sinn und Zweck. „Dit is für Charity“, lautet die Antwort, und ich krame in meiner Tasche nach etwas Klimpergeld. Mein eigentlich herzensguter Kumpel legt mir die Hand auf den Arm. „Nee, lass ma. Ick spende mein janzet Jeld schon der Charity. Dit is die Zweete von links“, meint er und zeigt auf das Podest mit den Mädels, welche sich an der Stange räkeln. Selbstverständlich wird jetzt gelacht.
Ich stelle bereits den Wecker in meinem Telefon, um ein dringendes Telefonat vorzutäuschen, als eine höhere Macht mich erhört. „So, Tag zusammen. Jetzt mal alle schön in eine Reihe stellen und die Ausweise raus!“ Es ist wahrscheinlich das erste und letzte Mal in meinem Leben, dass ich mich über eine Razzia freue. Zumindest so lange, bis ich zum Polaroid-Fotoshooting geladen werde. JURI STERNBURG
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