Es war schön hier, früher

ROCK Arik Einstein war einer der wichtigsten Musiker Israels. Er sang davon, was der Staat sein sollte und nie werden konnte: ein solidarisches Land, das an den Frieden mit seinen Nachbarn glaubt. Unseren Autor begleiten seine Zeilen jeden Tag

■ Arik Einstein war einer der bekanntesten Sänger Israels und galt dort als „Vater der Rockmusik“. Er begann seine Karriere bei einer Band des israelischen Militärs, 1960 veröffentlichte er sein erstes Album. Er wurde mit Liedern berühmt wie „Atur Mitzchech“ (Geschmückt ist deine Stirn mit schwarzem Gold).

VON UDI SHAYSHON

Zehntausende Menschen versammelten sich in Tel Aviv, als der Sänger und Schauspieler Arik Einstein beerdigt wurde. Radio- und Fernsehstationen spielten seine Lieder, und auch die Politiker wollten die seltene Einigkeit nicht verpassen: „Arik war der Größte von allen“, sagte Premier Benjamin Netanjahu.

„Die spontane Traurigkeit der Menschen hat mich an die Zeit erinnert, als Israel wegen der Ermordung des Premierministers Jitzhak Rabin getrauert hat“, schrieb Gideon Levy, Reporter der israelischen Zeitung Ha’aretz, in seiner Kolumne. Einstein hinterließ die Menschen in dem Gefühl, Waisenkinder zu sein.

Arik Einstein war der Erfinder des israelischen Rock. Er sagte „ich“, nicht „wir“. Seine Lieder handelten von dem, was die Herzen der Israelis berührte: Liebe, Freundschaft, Krieg, Frieden. Er stand für Hoffnung und Aufbruch. Das, was Israel für viele Bewohner einst war. Oder, deprimierender, was Israel sein sollte. Er vertonte auch Gedichte der größten zionistischen Schriftsteller und machte sie zugänglich für viele. Sein väterlicher Bariton verband die Israelis mit der Zeit, als der junge Staat in der Welt und in der Bevölkerung noch als Wunder galt und es kaum internationale Kritik an der Politik gab. Als die Hoffnung, echten Frieden mit den Nachbarn zu schließen, noch realistisch schien und der Sozialstaat wertvoll war.

Gideon Levy hat Arik Einstein 1984 das erste Mal getroffen. Die israelische Armee steckte damals tief im Libanonkrieg. „Ich habe ihn gebeten, ein Protestsänger zu werden“, erinnert sich Levy, der damals 31 Jahre alt war. „Aber er hat sich immer wieder geweigert.“ „Joan Baez bin ich nicht“, hat er gesagt. „Nur weil ich berühmt bin, heißt das nicht, dass meine Meinung richtig ist. Ich habe immer Angst, unrecht zu haben.“

Obwohl ich nicht zur selben Generation wie Einstein gehöre, begleitet mich seine Stimme jeden Tag. Das ist keine Übertreibung. Und wie mich gibt es viele junge Menschen in meinem Land.

„Und ich denke, bald bin ich in Gaza. Ich hoffe nur, dass uns keine Granate in Stücke reißt.“

Mich erinnert diese Stimme an meine Kindheit, an meinen Vater, der immer eine Kassette von Einstein im Auto hatte.

„Sie sagen, es war sehr schön hier, bevor ich geboren wurde.“

Das singt Einstein in einem berühmten Lied. Und ich glaube ihm. Auf eine gewisse Art erinnert mich seine Stimme auch an die Zeiten, die ich nicht kenne. Und ich vermisse sie.

Udi Shayshon, 29, ist Journalist aus Jerusalem. Er wohnt in Berlin und macht gerade im Rahmen des „Trialog der Kulturen“-Programms ein Praktikum bei der taz