Editorial

Eben noch, jetzt nicht mehr. Ein winziger Moment markiert den Übergang zwischen Leben und Tod. Gegen Ende eines Jahres blicken wir zurück, Namen und Bilder der Verstorbenen fliegen an uns vorbei. Was hat sie noch mal bewegt? Was haben sie bewegt?

Manche Tote haben wir fast schon vergessen. Andere sind noch präsent, man könnte es die Gnade des späteren Todes nennen – Nelson Mandela zum Beispiel, das war doch gerade erst.

Was bleibt von denen, die gestorben sind? Erinnerungen, schöne, anrührende, lustige.

Wir wollen in dieser Ausgabe an einige der Verstorbenen des Jahres 2013 erinnern. Wir haben nach Geschichten gesucht, die mehr erzählen als das, was im unmittelbaren Nachklang des Todes als Nachruf verbreitet wird. Geschichten, die den Tod kontern, weil sie erzählen, was weiterlebt.

Wir trafen Inge Jens und sprachen mit ihr über das Entschwinden ihres Mannes Walter, des großen Intellektuellen, der über zehn Jahre an Demenz litt. Als er starb, stand eine gleißend gelbe Sonne am Himmel, gegenüber: ein Waldrand, völlig schwarz. Und seine Frau wusste: Es ist geschehen. Für sie hatte da das Aufräumen nach dem Tod längst begonnen, aus dem Schatz der Zweisamkeit schöpft sie für den Neubeginn.

Wir haben uns auf die Spuren Wolfgang Herrndorfs begeben, des Schriftstellers, der im Sommer seinem Leben ein Ende setzte. Lebt er nicht weiter, wenn man den Helden aus seinem Roman „Tschick“ ins Brandenburgische folgt?

Unvollständig kann so eine Ausgabe nur sein; natürlich werden Sie jemanden vermissen – aber wir hoffen, dass Sie auch Menschen entdecken oder Geschichten, die Sie überraschen. Wie Maggie Thatcher Drinks mixte, Doris Lessing mit der Flinte in den Busch ging – und wie Ottmar Walter Tankwart wurde. Dank allen Autorinnen und Autoren, an Peter Unfried für die Anregung, Steffi Unsleber und Sebastian Kempkens für die Redaktion, Petra Schrott für die Bildauswahl und Nadine Fischer für das Layout dieser sonntaz. Und Ihnen Freude bei der Lektüre. FELIX ZIMMERMANN