„Wir brauchen 200.000 Kunden bis nächstes Jahr“

BILANZ Wie kommt Fairnopoly an, Herr Neumann? Die Firma will den Internethandel neu erfinden

■ 32, studierte Politik und Volkswirtschaftslehre in Marburg. Er ist Kogeschäftsführer von „Fairnopoly – Dreh das Spiel um“. Den Onlinemarkt entwickelt er zusammen mit seinen zwölf Kollegen in Berlin. Wer etwa nach einer Jacke sucht, bekommt die Ergebnisse mit Fotos und Beschreibungen aufgelistet. Es lassen sich aber auch Filter einschalten für faire, ökologische, soziale oder „klein&edel“-Produkte. Eigentümerin ist eine Genossenschaft; Mindestanteil 50 Euro, maximal 10.000 Euro.

INTERVIEW HANNA GERSMANN

Herr Neumann, alles soll fair laufen bei Ihnen. Werfen Sie auch mal jemanden aus dem Sortiment?

Bastian Neumann: Eigentlich soll bei uns jeder handeln können – solange es ethisch vertretbar ist.

Hat sich Beate Uhse schon gemeldet?

Das nicht. Aber uns wurde schon Other Nature, ein alternativer Erotikanbieter, empfohlen. Zu uns darf jeder, solange alles mit legalen Dingen zugeht. Ausgeschlossen wird allerdings, wer seinen Unternehmenssitz nicht angibt. Wir wollen keine fadenscheinigen Geschäftsmodelle. Und unsere Server stehen alle in Europa, damit sie dem Datenschutzgesetz der EU unterliegen.

Wie viel Feindbeobachtung machen Sie denn, surfen Sie immer mal wieder bei Amazon vorbei?

Das haben wir gar nicht nötig, wir arbeiten auch eher wie Ebay, bringen Händler zusammen.

Wie lang sind Ihre Lieferzeiten? Das ist von Anbieter zu Anbieter verschieden. Aber selbst die Gepa sagt, es sei für sie schwer, Sachen innerhalb eines Tages zu verschicken. Amazon kann mit seiner Marktmacht auch die Logistiker unter Druck setzen, billig und schnell zu sein. Mittlerweile ist Amazon wegen schlechter Bezahlung in Verruf geraten. Hilft Ihnen das? Sicher. Viele haben ja schon lange so ein diffuses Gefühl, da stimme was nicht. Dann kommt die nächste Schlagzeile und dann suchen sie ernsthaft nach einer Alternative …

landen bei Ihnen und werden wieder zum Kauf verführt. Da gibt es alt oder neu, Hanf oder Plastik …

Moment! Immerhin regen wir zum verantwortungsvollen Konsum an und stellen Alternativen vor, Dinge selber zu machen . Wir werben nicht: Bleib drin, kauf dir den Computer! Wir schreiben: Geh doch mal raus, spazieren! Und wenn du keine Jacke hast, dann kriegst du sie bei uns.

Was verkauft sich am besten?

Zum Beispiel eine Trinkflasche aus Kunststoff, ein Teil des Verkaufserlöses geht an Wasserprojekte in Afrika und Asien. Ansonsten: Faire Ökokleidung, Musik, gebrauchte Bücher.

Wie finanziert sich Fairnopoly? Sie müssen Miete für ihr Berliner Büro in einem Kreuzberger Hinterhof zahlen und Gehälter.

Momentan zahlen wir das über unsere Genossenschaft. Das ändert sich nur, wenn wir bis Ende des nächsten Jahres 200.000 Kunden haben. Derzeit sind es etwa 3.000. Zudem verhandeln wir auch mit nachhaltigen Banken über Finanzierungsformen.

Wie groß kann Ihre Genossenschaftsidee noch werden?

Wir werden vielleicht nie Waschmaschinen produzieren. Derzeit schließen aber so viele Buchläden oder Elektrofachgeschäfte. Möglicherweise können sie im Netz überleben. Dazu bräuchten wir Lokalportale, die jedem die Möglichkeit geben, online aus der Nähe einzukaufen.

Werden wir demnächst nur noch online kaufen?

Nein, das Einkaufserlebnis – ich gehe auf den Markt und halte einen Schwatz mit dem Blumenverkäufer– werden wir immer haben wollen.

Das vollständige Interview erscheint in zeo2, einem vierteljährlichen Magazin, das der taz gehört: www.taz.de/zeo2 und am Bahnhofskiosk