GEHT’S NOCH?
: Oh doch, sie hat gedient!

MEINT VERTEIDIGUNGSMINISTERIN VON DER LEYEN TATSÄCHLICH, SIE HABE IN IHREM LEBEN BISHER NICHTS GELEISTET? WOHL KAUM

Wenn ich das schon höre: „Ich habe nicht gedient.“ Das sagte die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in einem seltenen Anflug von Bescheidenheit. Mit Verlaub, Frau Oberbefehlshaberin, das ist großer Quatsch. Sie haben jahrelang als Ministerin („Dienerin“) gearbeitet, sieben Kinder großgezogen und einen kranken Vater gepflegt. Sie haben nicht gedient? Aber hallo!

Es ist bizarr, wie ausschließlich das Dienen bei uns mit der Ausbildung zum Töten verknüpft wird – obwohl wir uns mit dem Militärischen immer noch und zu Recht schwertun. Die Bedeutung, für andere da zu sein, ist verschwunden. Zu tief hat offenbar die Perversion des Dienens im Militarismus der Preußen und bei den Verbrechen der Nazis ihre Spuren hinterlassen: Dienen heißt da Drill, Gehorsam und Mord. Auch sonst überall negative Bedeutungen: einen Diener machen, sich andienen, Diener zweier Herren. Und die Schnüffler dieser Welt nennen sich gern „die Dienste“.

Wir haben vergessen, dass Millionen von Menschen anderen Menschen dienen und dass wir ohne sie echt bedient wären: die Krankenschwester, der Altenpfleger und die Lehrerin, die Abgeordnete, der Streifenpolizist, die Pfarrerin, der ehrenamtliche Nachhilfelehrer und die unbezahlte Fußballtrainerin. Aus dem Dienst ist unter dem Diktat der Ökonomie die Dienstleistung geworden: harte Jobs, mies bezahlt, schlecht angesehen. Und höchstens als „Service“ geschätzt.

Sie könnten daran etwas ändern, Frau von der Leyen. Ersetzen Sie einfach die Ehrenformation der Bundeswehr, die Staatsgäste mit militärischem Tschingderassabum empfängt, durch eine „Dienstformation“ aus Menschen, die für ihre Mitmenschen da sind: eine bunte Truppe aus Kitaerzieherinnen, Kreistagsabgeordneten und Suppenküchenköchen, aus zivilen Entwicklungshelfern und meinetwegen auch ein paar Soldaten und Steuerfahndern. Da könnte jede und jeder eine spannende Antwort geben auf die Frage: Haben Sie gedient?, die sicher deutlich interessanter ist als die aktuelle Langeweile in Uniform.

Aber auf so viel Zivilgesellschaft beim Militär müssen wir wohl noch lange warten. Wahrscheinlich bis zu dem Tag, an dem endlich mal ein Mann das Familienministerium übernimmt. BERNHARD PÖTTER